Bindung durch Beziehung

Pferde als Trainer für Führungskräfte

Positive Beziehungen lassen sich nicht befehlen, aber es gibt durchaus Möglichkeiten, beruflich bedingte Beziehungen zu verbessern. Dieser Artikel erläutert, wie sich berufliche Beziehungen positiv gestalten lassen und was Menschen in dieser Hinsicht von Pferden lernen können.
Das Wichtigste in diesem Leben sind gute Beziehungen, und zwar zu sich selber und den Mitmenschen (privat wie beruflich). Beruflicher Erfolg, Wohlstand und Gesundheit verlieren ihren Wert, wenn die Beziehungen, in denen wir leben, schwierig sind. Das gilt sowohl für die Beziehung zu sich selber (Selbstannahme, Selbstwert, Selbstvertrauen) als auch für private Beziehungen – z.B. innerhalb der Familie und mit Freunden – und die hier betrachteten Beziehungen im beruflichen Rahmen zu Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern. Oft ist der Vorgesetzte die zweitwichtigste Person im Leben des Angestellten. Ist diese Beziehung nicht in Ordnung, färbt sie auf Dauer aufs gesamte Umfeld ab. Motivation, Engagement, Leistung und Spaß an der Arbeit und am Leben leiden. Viele psychosomatische Erkrankungen haben ihren Ursprung in negativen Beziehungen, wo immer sie auch bestehen. Der umgekehrte Fall gilt natürlich genauso: Schwierige Beziehungen zu Hause können sich negativ auf die beruflichen Beziehungen und die Bindung ans Unternehmen auswirken.
Welche Elemente sind wichtig für positive Beziehungen sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld?
• Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
• Vertrauen und Berechenbarkeit
• Wertschätzung und Respekt
• Klare Kommunikation
• Klare Zielsetzung
• Selbstbeherrschung
• Konstanz in der Beziehungsgestaltung

Außerdem müssen innere Haltung und äußere Handlungen stimmig sein, sonst leiden Glaubwürdigkeit und Authentizität. Das Gegenüber spürt – oft ohne es wirklich benennen zu können –, ob wir wirklich meinen, was wir sagen.
Kinder lernen das Beziehungs-Einmaleins, indem sie sich anschauen und eins zu eins kopieren, wie ihre Eltern miteinander und mit ihrer Umwelt umgehen, mit welcher inneren Haltung sie im Alltag agieren. Entstehen in dieser prägenden Entwicklungsphase Defizite, sind Haltungs- und Verhaltensdefizite in der späteren Beziehungsgestaltung zu erwarten und können nur durch entsprechende Nachreifungsprozesse behoben werden. „Der Apfel fällt nicht weit vom Baum“, drückt diese Zusammenhänge aus.

Bindung an Unternehmen

Letztlich heißt die entscheidende Frage beim Thema „Bindung ans Unternehmen“: Wie lassen sich die Beziehungen der am Arbeitsprozess Beteiligten so gestalten oder verbessern, dass sich die Menschen im Unternehmen wohl fühlen, sich fair und respektvoll behandeln und gute Leistungen erbringen, ohne die Profitabilität des Unternehmens aus den Augen zu verlieren?
Gute Beziehungen entstehen nicht per Dienstanweisung. Es besteht aber durchaus die Möglichkeit, an den Grundvoraussetzungen dafür zu arbeiten, an der inneren Haltung, am respektvollen Umgang miteinander, an einer klaren, offenen Kommunikation sowie an einem teamorientierten Verhalten. Da sind zuerst die Führungskräfte in ihrer Vorbildfunktion gefordert, dann aber ebenso auch die Mitarbeiter, eigene Einstellungen und Handeln zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren.

Pferde als Beziehungstrainer für Menschen

Herkömmliche Führungskräfte-Trainings und Teambildungs-Workshops sind in diesem Zusammenhang oft wenig nachhaltig, weil sie in der Kürze der vorhandenen Seminarzeit die innere Haltung der Teilnehmer und ihre tiefverankerten inneren Barrieren und Paradigmen kaum wertneutral aufdecken können, um daraus Alternativen zu erarbeiten.
An dieser Stelle kommen die hochsensiblen Pferde ins Spiel, als Spiegel oben genannter Haltungen und Einstellungen, als manipulationsfreie, ehrliche und direkte Feedback-Geber sowie als Mitarbeiter-Analoga. Indem es also Analogien zwischen dem Verhalten von Pferden und Menschen gibt, kann im direkten Umgang mit Pferden jeder Mensch, jede Führungskraft, den Aufbau und die positive Fortentwicklung einer Beziehung zu anderen Menschen trainieren.
Durch das vollkommen andere Setting, das ganz den Grundsätzen der Erlebnispädagogik entspricht, nach denen sich auf diese Weise Neues viel tiefer einprägt, sind Workshops mit Pferden effektiv und erzielen eine dauerhafte Wirkung.
Seit Jahrtausenden gehört das Pferd zum ständigen Begleiter des Menschen. Kaiser, Könige und Edelleute erlebten, dass sich ihre Pferde weder durch Macht noch Titel beeindrucken ließen. Die Mächtigen mussten lernen, gute Beziehungen zu ihren Pferden aufzubauen, sie kooperativ zu führen wissen, denn nur so konnten sie sich in überlebenswichtigen Situationen (z.B. einer militärischen Auseinandersetzung) absolut auf sie verlassen.

Analogien zum Menschen

Die Faszination Pferd ergibt sich – neben dem erhabenen Aussehen, der Kraft und Größe der Tiere – aus einer Vielzahl von Analogien zum menschlichen Zusammenleben. Pferde leben in einer Herde mit klaren hierarchischen Strukturen. Dort zeigen sie als soziale Wesen Sympathien und Antipathien für die verschiedenen Glieder der Gruppe, bewahren dabei aber eine klare Zugehörigkeit zur Gesamtherde. Sie sind über eine sehr feine Körpersprache in ständiger Kommunikation mit den anderen Tieren der Herde. Die Tiere unterscheiden sich charakterlich voneinander, zeigen z.B. Fleiß oder Trägheit, Neugierde, Skepsis, Dominanz und Unterordnung. Außerdem sind sie kooperative Wesen, die sich gegenseitig schützen und unterstützen.
Diese Eigenschaften gepaart mit ihrer enormen Sensibilität bezüglich Sehen, Riechen, Hören und Spüren machen die Pferde zu guten Analoga für menschliche Interaktionen. Sie sind Biosensoren für menschliches Miteinander, Führungs- und Teamverhalten. Die Pferde drücken ungefiltert das aus, was sie von dem sie führenden Menschen im Hier und Jetzt halten. Dies geschieht mit Hilfe ihrer Körpersprache, u.a. der Stellung der Ohren, des Kopfes, Haltung, Bewegungen.
Was erwartet das Pferd von uns, seiner Führungskraft, um kooperativ mitzuarbeiten? Es fragt permanent, ob
• wir wissen, was wir wollen, und es auch wirklich wollen
• wir aufmerksam und im Hier und Jetzt bei der Sache sind
• wir unsere Wünsche klar kommunizieren und auch durchsetzen wollen
• wir in uns ruhen und authentisch sind
• wir Respekt haben, beherrscht und wertschätzend sind
• wir vertrauenswürdig und berechenbar sind.

All das drückt der Mensch gegenüber dem Pferd durch einen situativ angepassten Wechsel des Raumgebens und Raumnehmens aus. Voraussetzungen sind allerdings von Seiten des Menschen als der Führungskraft eine klare Zielsetzung, eindeutige Kommunikation, Aufmerksamkeit, Authentizität, Respekt und Vertrauenswürdigkeit.
Genau diese Qualitäten braucht jede gute Führungskraft, um sich selbst und die ihm anvertrauten Mitarbeiter (zwei- und vierbeinige) zu führen und im Team erfolgreich zusammen zu arbeiten. Hier schließt sich der Kreis: Die Elemente, die wir als wesentlich für gute Beziehungen identifiziert haben, sind dieselben, die notwendig sind, um erfolgreich zu führen. Deshalb ist es mit der entsprechenden Selbstreflexion und Anleitung möglich, Pferde sowohl für Führungs- als auch Beziehungstrainings einzusetzen.
Es gibt allerdings auch entscheidende Unterschiede zum menschlichen Verhalten: So leben die Pferde ausschließlich im Hier und Jetzt, denken nicht an Morgen und erinnern sich kaum an Gestern (schwaches Kurzzeitgedächtnis). Das hat den großen Vorteil, dass Pferde dem Menschen erlauben, den PDCA-Management-Veränderungsprozess (Plan – Do – Control – Adapt) am Trainingstag viele Male zu durchlaufen. Verändert der Mensch seine Haltung und seine Handlungen, reagiert das Pferd frisch, ohne sich an die Übung vorher zu erinnern. Der Erfolg der Veränderung wird unmittelbar sichtbar und steigert damit die Nachhaltigkeit des Trainings.

Ein Beispiel aus der Praxis

Die Leiterin einer Fortbildungsakademie, Frau S., hatte sich die Knabstrupper-Wallach Ben als Trainingspferd ausgesucht. Ben fing kurz nach dem ersten Kontakt an, Frau S. immer wieder mit seinem großen Kopf zu stupsen, erst leicht und spielerisch, später heftiger. Durch Nachfragen wurde deutlich, dass Frau S. Bens Verhalten als aufdringlich empfand, sich aber nicht traute, ihm Einhalt zu gebieten. Als sie von den Trainern erfuhr, dass Bens Verhalten deutlich mache, dass er ihre Grenzen nicht akzeptiere, ging ihr ein Licht auf. Ebenso wie Ben erlaubte sie ihrem Vorgesetzten immer wieder, ihre persönlichen Grenzen ungestraft zu überschreiten. Die mentale Barriere bestand in der Annahme, sie dürfe niemanden vor den Kopf stoßen und in seine Schranken verweisen, sondern müsse zu allen Menschen nett sein. Mit den Trainern zusammen wurde eine Strategie erarbeitet, um sich innerlich klarer abzugrenzen.
Diese Haltungsänderung brachte Ben dazu, mit dem Anstupsen aufzuhören. Seit dieser Erkenntnis laufen Diskussionen mit ihrem schwierigen Vorgesetzten oft anders. Noch heute – einige Jahre später – erzählt Frau S. über das, was sie von Ben gelernt hat.
Eine Einschränkung ist allerdings zu machen: Die für menschliche Beziehungen so notwendige Konstanz lässt sich mit Pferden an einem Seminartag weniger gut thematisieren.

Perspektivwechsel „Anders Weiter Machen“

Natürlich wird die Bindung zum Unternehmen nicht nur durch die persönlichen Beziehungen am Arbeitsplatz beeinflusst, sondern auch vom Gesamtumfeld des Betroffenen. Dazu möchte ich etwas aus meinem Leben schildern.
Während meiner Zeit als Angestellter in der Pharma-Industrie fühlte ich mich oft…

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Autor Dr. Joachim Bender

Dr. Joachim Bender

Dr. Joachim (Joe) Bender, Chemiker, Berater und Coach, bringt mehr als 30 Jahre Berufs- und Führungserfahrung in Europa, Israel und den USA mit. Er berät Firmen zu Personalführung, Restrukturierung und Krisenmanagement.