Die Folgen Digitalen Wandels für den Service

Kunde immer im Mittelpunkt?

„Die Kfz-Branche erlebt, dass sie mit Ansprüchen von Kunden konfrontiert wird, die durch andere Branchen geweckt worden sind. Der Kunde ist sozusagen ,amazonisiert’. Doch was will er, wenn es um das Automobil geht?
Da ist es wichtig, mit dem Kunden im Gespräch zu sein, Fragen zu stellen und dies nicht allein den Herstellern zu überlassen. Natürlich auch immer wieder über den Tellerrand zu schauen,
z.B. Trendmessen zu besuchen, etc. und dann mutig zu sein, etwas auszuprobieren.“

Philipp Kroschke

Das Analoge – der ganz schlichte direk-te Kontakt von Angesicht zu Angesicht – behält auch in der zunehmend durch-digitalisierten Welt seine Bedeutung. Doch wieviel davon soll es sein? Was will er denn, der Kunde?

Positivstes Szenario

Die Bedürfnisse des Kunden stehen im Zentrum unternehmerischen Handelns. Der Kunde will eine dem neuesten Stand der Technik entsprechende Serviceleistung. Zudem möchte er als Mensch wahrgenommen werden und ist zu einer langfristigen Bindung an die Werkstatt bereit, wenn er Vertrauen zu den handelnden Personen besitzt. Hierbei ist es wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen („Schlüsselwerfer“ versus Dialogannahme mit hoher „psychologischer Pflegestufe“).

Die technische Weiterentwicklung der Fahrzeuge durch alternative Antriebe und autonomes Fahren führt zu einem höheren Kundennutzen, verändert aber nicht die Verhaltensstruktur und die Grundbedürfnisse (Wunsch nach individueller Mobilität, die Aufladung der eigenen Person durch das Image des Fahrzeugs, angemessene Bezahlung für erbrachte Leistungen).

Schlussfolgerungen

Wenn sich eine Werkstatt jeweils an den neuesten Stand der Technik anpasst (Ausstattung und Qualifikation der MitarbeiterInnen), kann das Unternehmen weiterhin erfolgreich am Markt tätig sein. Die Verantwortlichen müssen allerdings sicher stellen, dass sie die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden wahrnehmen.

Es gibt nicht DEN Kunden! Beispielsweise reicht das Spektrum von einer „analogen“ Annahme, in der das Zwischenmenschliche im Vordergrund steht, hin zu einem Kundenbedürfnis, das weitgehend digital befriedigt werden kann (Termin und Ersatzfahrzeug werden online vereinbart, Auftrag wird am Tablett direkt in der Dialogannahme erteilt, Ersatzteilbestellung wird bereits durch die Eingabe der VIN durch den Kunden bei Terminvereinbarung ausgelöst). Hin und wieder möchte der Kunde aus Gründen der Zeitersparnis sein Fahrzeug (außerhalb der Geschäftszeiten) an einem vollautomatischen Service-Point abgeben: Unter Eingabe eines Passwortes öffnet sich ein Schließfach, in das er seinen Fahrzeugschlüssel hinterlegt, und den Schlüssel für das Ersatzfahrzeug entnimmt. Ähnliche Verfahren gelten auch für die Ab-holung des Fahrzeug. Um alle diese Bedürfnisse abdecken zu können, wird von einem Betrieb verlangt, dass er alle Kommunikationskanäle professionell „bespielt“. Der Kunde entscheidet situativ, für welchen Kanal er an diesem Tag mit dem Unternehmen in Kontakt treten möchte.

Negativstes Szenario

Die neu zugelassenen Fahrzeuge verfügen weitgehend über Elektroantrieb und fahren vollautonom. Die Fahrzeuge befinden sich überwiegend im Besitz von Flotten, Carsharing-Unternehmen, ÖPNV-Anbietern oder sind durch Full-Service-Pakete (Inspektion, Instandsetzung, Versicherung) an den Hersteller gebunden. Daraus folgt, dass das Fahrzeug selbstständig an die Zentrale des besitzenden Unternehmens einen notwendigen Service oder eine Instandsetzung meldet. Vollautomatisch wird den zertifizierten Servicebetrieben angeboten, die Dienstleistung zu einem festgelegten (günstigen) Preis zu erbringen. Der werkstatteigene Service-Bot generiert den Auftrag. Das Fahrzeug fährt vollautonom zum vereinbarten Termin zu der Werkstatt-Fabrik, die in einem abgelegenen Industriegelände aufgebaut ist.

Hier reparieren angelernte Humankräfte zu niedrigen Stundensätzen unter Zuhilfenahme von Reparatur-Bots die Fahrzeuge. Die notwendigen Daten liefert der Hersteller gegen eine hohe Lizenzgebühr. Notwendige Ersatzteile werden voll digital von einem zentral akkreditierten Dienstleister beschafft oder vor Ort über einen 3-D-Drucker erstellt.

Die Rechnung wird rein digital an das besitzende Unternehmen gestellt. Der Fahrer wird über die Fertigstellung der Dienstleistung informiert und gefragt, zu welchem Übergabepunkt sich der Pkw autonom bewegen soll.

Im Falle eines Unfalls wird das Fahrzeug ebenfalls zu einem Betrieb gefahren, der eine Rahmenvereinbarung mit dem besitzenden Unternehmen oder dessen Versicherung abgeschlossen hat. Die Mobilität des Kunden wird bereits durch das Abschleppunternehmen sichergestellt. Auch in diesem Fall findet keinerlei Kommunikation zwischen dem Kunden und der Werkstatt statt.

Konsequenzen für die „klassischen“ Werkstätten

Die Werkstatt hat keinerlei Möglichkeit, durch eigenes Zutun einen Auftrag zu generieren. Nur durch den Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit dem Flottenbetreiber, dem Carsharing-Unternehmen oder der Versicherung ist der Eintritt in die „kaputte“ Welt der Reparatur und des Service gesichert. Dabei ist zu erwarten, dass sowohl der Kunde als auch die Werkstatt die AGB (inkl. aller „Knebel“) in Sekundenschnelle zu akzeptieren hat, wie es heute schon z.B. bei einem Software-Update der Fall ist.

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass nur wenige Werkstätten von den besitzenden Unternehmen akkreditiert werden, um am Servicegeschäft überhaupt teilnehmen zu können.

Es spielen weder Softskills (Empathie, Freundlichkeit) noch technische Kompetenz und Qualifikationsnachweise eine Rolle. Maßgeblich ist der Nachweis einer digitalen Kompetenz (Software-Programme, Bandbreite der technischen Möglichkeiten des Bots, etc.).

Aufgrund der maßgeblichen Verwendung von elektrischen Antrieben sinkt das Inspektions- und Instandsetzungsvolumen um einen hohen zweistelligen Prozentsatz. Dementsprechend wird die Anzahl der Service-Durchläufe der am Markt befindlichen Fahrzeuge und der damit notwendigen Kapazitäten nochmals erheblich reduziert. Ein Werkstatt-Markt, wie wir ihn heute kennen, existiert dann nicht mehr.

In diesem Szenario wird es (wie heute im Oldtimermarkt) Individualisten geben, die sich über den Besitz eines Fahrzeugs in ihrer Persönlichkeit definieren wollen. Hierbei ist davon auszugehen, dass sie durch eine starke Individualisierung des Fahrzeugs (custom-made) ihre Position außerhalb des Mainstreams unter Beweis stellen wollen. Diese Gruppe legt auch weiterhin Wert auf einen persönlichen (analogen) Service-Kontakt. Es ist allerdings nicht einzuschätzen, wie groß diese Gruppe im Verhältnis zum Gesamtmarkt sein wird.

Abweichend von den übrigen Szenarien handelt es sich hier um eine Zukunftsvision, die erst ab ca. 2025 beginnen wird. Bei einer durchschnittlichen Zulassungsrate von 3 Mio. Pkw pro Jahr und einem Gesamtbestand von 45 Mio. würde es also mindestens 15 Jahre dauern, bis alle Pkw im deutschen Markt technisch so ausgestattet sind, dass dieses digitale Szenario greifen könnte. Das heißt: Ab 2040 würden nur noch Individualisten persönlich ein Fahrzeug besitzen und sich selbst um Inspektinen und Instandsetzung kümmern.

Employee Journey

Der englische Begriff beschreibt die „Reise der Angestellten“. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass MitarbeiterInnen über all das verfügen müssen, was notwendig ist, um Tag für Tag Kunden optimal „bedienen“ zu können und damit für eine optimale Customer journey zu sorgen („Reise des Kunden“). Dazu gehören sowohl Soft Skills (z.B. Empathie) als auch Hard Skills (technische Werkzeuge und optimale Prozesse). Letzteres zur Verfügung zu stellen und obendrein Angestellten den notwendigen Freiraum zur Weiterentwicklung zu geben – das sind elementare Schritte auf der Employer journey („Reise des Arbeitgebers“), zu der all das zählt, was ein Unternehmen zu einem attraktiven Arbeitgeber macht.