Handel braucht kompetente MitarbeiterInnen

Multi-Channel-Player gesucht

„Wir bräuchten beim Thema Digitalisierung ein ähnliches Modell, wie wir es bereits bei den Partneranwälten in Schleswig-Holstein haben. Eine Gruppe von digitalen Anbietern, die die Bedürfnisse der Branche kennt, die unsere Bedürfnisse kennt, und uns die notwendigen Lösungen anbietet. Dann haben wir mehr Klarheit, wissen wer seriös ist, und können das Thema mit geringeren Risiken anpacken.“

Dr. Hermann Frohnhaus

Die Herausforderungen an den Autohandel steigen auf allen Ebenen. Das Thema Digitalisierung ist nur eines von vielen, die letztlich alle mit der Befriedigung von Kundenbedürfnissen zu tun haben. Wie kann der einzelne Betrieb dieses Spiel mit vielen Bällen meistern?

Positivstes Szenario

Der Kunde hat individuelle Bedürfnisse, um seine Mobilität sicher zu stellen und sich zugleich über das Produkt zu definieren. Der Handel mit Kfz hat die Kernkompetenz, diese Bedürfnisse und die auf dem Markt verfügbaren Produkte zusammen zu führen. Hierbei bedient sich der stationäre Handel seiner gut geschulten und empathischen MitarbeiterInnen sowie aller digitalen Informationswege, die für die Zielgruppen relevant sind.

Was muss ein Betrieb beachten, um in diesem Szenario erfolgreich zu sein? Die MitarbeiterInnen brauchen nicht nur eine tiefgreifende Schulung in der Wahrnehmung von Kundenbedürfnissen und deren Zufriedenstellung, sondern auch die Zeitbudgets, die dafür notwendig sind. Hierzu gehören u.a. schnelle Antworten auf die Frage der Inzahlungnahme des „Altfahrzeugs“, der Individualisierung des Fahrzeugs durch Zubehör oder Software-Updates, der Finanzierung und Versicherung des neuen Fahrzeugs sowie der Zulassung.

Der Kommunikationsweg wird durch den Kunden bestimmt – von dessen individuellem Profil und seinen situativen Bedürfnissen.
Ein Beispiel: Ein Kunde informiert sich zunächst im Internet über die angebotenen Produkte und nimmt die digitalen Reaktionsmöglichkeiten in Anspruch. Bevor eine Kaufentscheidung getroffen wird, möchte er jedoch durch ein persönliches Inspizieren und eine Probefahrt das Auto selbst erleben und damit erkennen, „ob es zu ihm passt“. Der Kunde ist absolut zufrieden mit diesem Mix aus Analogem und Digitalem. Beim nächsten Kauf – es soll ein Fahrzeug für seine Tochter sein – entschließt er sich, schon im ersten Schritt den Verkäufer des Autohauses um Rat zu fragen. Dieses abweichende Verhalten ist das gute Recht eines Kunden und sollte nicht zu einer Kollision mit dem Customer-Relation-Programm des Händlers führen. Dies wäre der Fall, wenn im Autohaus kein Verkäufer zur Verfügung stünde, um in einer Bedarfsanalyse ein Fahrzeug nach den Angaben des Kunden zu finden – Autohäuser müssen Multi-Channel-Player sein!

Die digitale Kompetenz des Autohauses wird durch jede Neuerung in der digitalen Kommunikation herausgefordert. Oftmals sind die UnternehmerInnen durch die starke Bindung an das Tagesgeschäft in ihrer Wahrnehmung so weit eingeschränkt, dass sie nicht ausreichend Zeit und mentale Kapazität haben, um sich den Folgen des Wandels für ihr Unternehmen zu widmen.

Die hinzugerufenen Agenturen sind zwar grundsätzlich kompetent, allerdings fehlt ihnen ein ausreichendes Briefing durch die UnternehmerInnen und eine vertiefte Branchenkenntnis. Daraus folgen nur teilweise adaptierte Systeme, die mit einem unverhältnismäßigen finanziellen und zeitlichen Aufwand bei geringer praktischer Anwendbarkeit verbunden sind. Die Akzeptanz durch die MitarbeiterInnen ist naturgemäß gering, was wiederum die UnternehmerInnen frustriert.

Lösung

Die Organisation des deutschen Kfz-Gewerbes gründet ein Netzwerk von Agenturen, die digitale Dienstleistungen für Handel und Werkstatt anbieten. Durch regelmäßig angebotene Schulungen werden diese Dienstleister „in die Geheimnisse der Branche eingeweiht“ und die Implementierung von bereits bestehenden Modulen (Bsp. DIGEO von der BDK, FairGarage von DAT, autoglas-Partner, usw.) im Detail durchgespielt.

Durch die teilweise Modularisierung können auch für kleine Unternehmen kostengünstige Lösungen angeboten werden, die dennoch einen hohen Praxiswert haben. Zudem erfüllt dieses Netzwerk eine Filterfunktion, durch die ungeeignete oder unseriöse Anbieter nicht zum Zuge kommen.

Budgets für Werbung werden zukünftig in völlig neuen Kanälen eingesetzt werden. Die digitale Suchmaschinen-Optimierung (Bsp. SEO bei Google) zeigt, wohin sich der Werbemarkt der Zukunft entwickeln wird.

Hierbei muss der stationäre Handel dafür Sorge tragen, dass er selbst für den Kunden sichtbar bleibt, weil die relevanten Schlüsselwörter vom Hersteller besetzt werden und der Betrieb selbst nicht mehr als Suchergebnis erscheint.

Zudem kann es ratsam sein, einen Werbekosten-Zuschuss des Herstellers abzulehnen, um so in der Werbung als Selbstmarke in Erscheinung zu treten. Ein Werbekosten-Zuschuss des Herstellers in Höhe von 60% ist in diesem Szenario ein Werbekosten-Zuschuss des Händlers in Höhe von 40% für den Hersteller!

Negativstes Szenario

Disruptive digitale Unternehmen übernehmen alle relevanten Vertriebskanäle. Zudem wechselt das Besitzverhältnis der meisten Fahrzeuge zu Flottenbetreibern und Car-Sharing-Unternehmen oder wird durch Gesamtpakete mit Garantie und Inspektion komplett durch den Hersteller gesteuert. Dies führt dazu, dass kein direkter, mehr oder weniger regelmäßiger Kontakt von Kunden und stationärem Handel stattfindet.

Beim Neukauf eines Fahrzeugs ist der stationäre Handel völlig unsichtbar, und der Kunde wird in der Regel durch rein digitale Vertriebskanäle gesteuert.

Dieser Prozess würde im Falle einer schnellen Etablierung von Elektromobilität und autonomem Fahren voraussichtlich einen zusätzlichen Schub erhalten (s. Negativstes Szenario Service).

Die logische Reaktion auf dieses Szenario wäre die Ausgliederung eines digitalen Vertriebsweges aus dem bisherigen stationären Handel, der mit eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, einer eigenen Marke und einem eigenen Budget sowie separater Betriebsstätte agiert. Dennoch würde der mittelständisch geprägte Handel erheblich an Bedeutung verlieren.

digital

Digital meint alle Möglichkeiten, die sich ergeben aus der Speicherung, dem Kopieren und dem Austausch von Daten z.B. im Internet. Unternehmen nutzen diese Möglichkeiten, um ihre Geschäftsprozesse zu optimieren.

analog

Das Gegenteil von digital. Es beschreibt in der Entgegensetzung zu digital sozusagen alle „alten“ Formen der Kommunikation, in der z.B. zwei Menschen im direkten visuellen Kontakt zueinander stehen.

agil

Bezogen auf Unternehmen meint es u.a. die Fähigkeit schnell auf Veränderungen reagieren zu können, z.B. durch die Veränderung von Arbeitsprozessen oder die Entwicklung und Einführung von Produkten, die auf ein geändertes Kundenverhalten oder einen veränderten Kundengeschmack reagieren.