Bindung in Bienenvölkern

Interview mit Dr. Werner von der Ohe, Leiter Bieneninstitut Celle

Wie kommunizieren Bienen untereinander?

Zunächst einmal ist es wichtig, sich deutlich vor Augen zu führen, dass es im Inneren des Bienenstocks dunkel ist. Also fehlt den Bienen ein für uns Menschen sehr wichtiges Element der Kommunikation: der visuelle Kontakt. Bienen kommunizieren deshalb anders, genauer gesagt über den Geruch – durch Pheromone – und über die Kombination Tastsinn und Wahrnehmung von Vibrationen. Die Pheromone sorgen auch für die Bindung der Arbeiterinnen an die Königin. Es gibt das sogenannte „Königinnen-Pheromon“. Nur sie allein besitzt diesen Botenstoff, durch den sie bei den Arbeiterinnen die Pflege einfordert. Das ist die Aufgabe der Ammenbienen und sie widmen sich ihr, weil sie durch…

Wie kann bei Bienen die Bindung sichtbar werden?

Bindung der Bienen untereinander drückt sich in einem kontinuierlichen Futteraustausch aus. Versuche, bei denen ein Farbstoff dem Futter der Bienen eines Stockes beigemischt wurde, haben gezeigt, dass sich hinterher in den Honigblasen der einzelnen Bienen der Farbstoff wiederfand und das in einer sehr gleichmäßigen Konzentration. Der Futteraustausch der einzelnen Individuen eines Stockes läuft so lange, bis nichts mehr da ist. Es ist also nicht der Überlebenswille eines Individuums auf Kosten der anderen zu beobachten. Stattdessen ist alles Handeln des Individuums auf das Überleben des gesamten Volkes ausgerichtet. Hat eine Biene eine gute Nahrungsquelle gefunden, dann teilt sie diese Information mit anderen Sammlerinnen, indem sie „tanzt“. Sie führt diesen Tanz aber nur dann auf, wenn die Information von Bedeutung ist, wenn nicht, dann würde sie nicht tanzen. Natürlich wären das für Unternehmen in der Welt der Wirtschaft traumhafte MitarbeiterInnen, die ihr Handeln immer am Unternehmensinteresse ausrichten…

Woran bindet sich die einzelne Biene?

Die Bindung der einzelnen Biene läuft, wie schon erwähnt, über Pheromone und den Nahrungsaustausch. Die einzelne Biene weiß, dass sie zum Stock gehört. Der Kontakt mit den anderen Bienen ihres Stocks ist überlebenswichtig für sie. Sie kann nicht alleine leben. Auch wenn sie genügend Futter zur Verfügung hätte, das wissen wir aus Versuchen, stirbt die vereinzelte Biene aus einem Mangel an Sozialkontakten. Aus diesem Grund kann man sagen, dass ein Bienenvolk nicht aus bis zu 40.000 einzelnen Tieren besteht, sondern sozusagen ein einziges Tier ist, zusammengesetzt aus 40.000 Individuen. Anders als die Wespenkönigin, die alleine ein Volk aufbauen kann, wird eine Bienenkönigin nie alleine ein Volk gründen können. Wenn eine Königin den Stock verlässt, dann nimmt sie „Untertanen“ mit, oft mehrere Tausend andere Bienen. Wie genau das passiert, das weiß die Forschung noch nicht, wie bei der einzelnen Biene die Entscheidung abläuft, das „alte“ Volk zu verlassen und sich dem Schwarm und damit der ausschwärmenden Königin, die übrigens die Königin des alten Stocks ist, anzuschließen und sich in einem neuen Zuhause einzurichten und damit Teil eines neuen Volkes zu werden. Da muss es „Sprachbrocken“ geben, die wir noch nicht kennen. Eine bedeutende Anzahl schließt sich…

Wie ist die Hierarchie im Bienenstock strukturiert?

Die Hierarchie im Bienenstock ist flach. Die Königin hat natürlich eine wichtige Funktion. Befruchtete Eier legt nur sie allein. Damit trägt sie die genetische Verantwortung, sie bestimmt über das Erbgut des Volkes und damit natürlich auch in gewisser Weise über die Zukunft ihres Volkes. Dadurch dass sie sich während ihres Hochzeitsfluges mit mehreren Drohnen aus verschiedenen Völkern paart, erreicht sie eine genetische Varianz, die für die Robustheit…

Was würde ohne die Fähigkeit zur Bindung mit dem Bienenstock geschehen?

Ohne die Fähigkeit zur Bindung gäbe es keinen Bienenstock, wenn wir über die klassische Honigbiene sprechen, die eine Gattung aus der Familie der Echten Bienen ist. Es gibt nämlich auch solitär lebende Bienenarten, auch Einsiedlerbienen genannt, bei denen ein einziges Weibchen sich allein um ihre bis zu 30 Brutzellen kümmert. Leben Bienen „erfolgreicher“ beim Imker oder in der Freiheit? Erfolg bedeutet bei wildlebenden Bienen Überleben und Vermehren. Es geht darum, mindestens einen Schwarm, wenn nicht mehrere, aus dem Stock zu entlassen und sich damit zu vermehren. Dadurch behauptet sich das Volk gegenüber anderen, konkurrierenden Völkern. Das Schwärmen wird ein Imker aus nachvollziehbaren Gründen aber eher zu verhindern suchen. Gleichzeitig macht er seinem Stock, seinen Stöcken, das Überleben möglichst einfach…

Welche Aufgabe und welche Privilegien hat eine Königin?

m Grunde genommen hat kein Individuum im Bienenstock irgendein Privileg. Es geht allein um Vermehrung. Wenn man also bei der Königin überhaupt von einem Privileg sprechen kann, dann besteht es allenfalls darin, dass sie gehegt und gepflegt wird. Dieses wird ihr, wie oben erwähnt, zuteil, weil sie ihre Artgenossen über Pheromone steuert. Sie erhält eine Nahrung, die sie zu nahezu 100% verwerten kann, weshalb sie kaum Kot ausscheiden muss. Ihre Aufgabe besteht darin, für Nachkommen zu sorgen, also Eier zu legen. Aus den befruchteten Eiern…

Was entscheidet die Königin? Wo sind ihre Grenzen?

Was das Thema Entscheidung angeht, so ist das bei Insekten natürlich nicht so leicht zu sagen. Sie zeigen ein stark durch Instinkte bestimmtes Verhalten, das ist es. Wenn wir das Ganze von der Seite der Königin aus betrachten, dann hat sie wenig Entscheidungsfreiheit, oder besser gesagt Entscheidungsmöglichkeiten, wahrscheinlich noch eingeschränktere…

Gibt es ein demokratisches Verhalten im Bienenstock?

Auf jeden Fall ist ein Bienenstock, auch wenn es dort eine Königin gibt, sehr viel weniger eine Monarchie als eine Demokratie, weshalb der Bienenforscher Thomas Seeley auch einem seiner Bücher den Titel „Bienendemokratie“ gegeben hat. In gewisser Weise ist sogar ein basisdemokratisches Verhalten zu beobachten. Dies zeigt sich insbesondere bei der Suche des Schwarms nach einer einer neuen Nisthöhle. Vom Schwarm ausgesandte Kundschafterinnen inspizieren in Frage kommende Unterkünfte als neues Zuhause. Jede einzelne von ihnen…

Hat ein Bienenstock „Kunden“? Womit wird gezahlt?

Kunden nicht, aber manchmal Mitesser, z.B. Wachsmotten, die die Bienenwaben auffressen. Pflanzen sind ebenfalls nicht als Kunden zu bezeichnen. Da Bienen ihnen die wichtige Dienstleistung der Bestäubung erbringen…

Was passiert, wenn die Königin ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen kann?

Die Königin wird von den Ammen kontrolliert, wie viele Eier sie legt. Obwohl diese Pflegebienen den kommenden Winter nicht überleben werden, kümmern sie sich intensiv um den Fortbestand des Volkes. Dazu gehört auch, dass sie auf die Königin schauen, ob sie die für die Weiterexistenz des Volkes notwendige Zahl an Eiern legt, oder ob die Mehrzahl der Eier nur noch unbefruchtet ist, also nur noch Drohnen, aber nicht mehr Arbeiterinnen entstehen. Wenn sie ein Nachlassen der Königin feststellen, dann bauen sie andere Zellen für die Aufzucht neuer Königinnen, die sogenannten Weiselzellen. Diese Königinnenzellen sind gegenüber den in Richtung Waagerechte geöffneten Arbeiterinnenzellen um 90° gedreht und nach unten geöffnet. In diese legt die Königin ein befruchtetes Ei, aus dem normalerweise eine ganz „normale“ Biene entstehen würde. Ammenbienen versorgen Larven in diesen Zellen anders und Baubienen formen diese Zellen anders aus. Durch die besondere Nahrung, die die Ammen herstellen, das berühmte „Gelee Royal“, und eine besonders intensive Versorgung, werden bei…

Können Menschen zu Bienen eine Bindung/ Kommunikation herstellen?

Eine Bindung zu Bienen können Menschen aufbauen. Menschen lieben Bienen und zeigen dies durch einen verantwortungsvollen, von Sorgfalt geprägten Umgang mit einem Bienenstock als Ganzem. Bienen sind Wildtiere, die auf jeden Fall verbal nicht zu erkennen geben, wie es ihnen geht. Sie erkennen den Imker…

Was kann eine Führungskraft vom Umgang mit Bienen lernen?

Da gibt es einiges, das Führungskräfte von Bienen lernen können. Wie bereits erwähnt, ist die Hierarchie in einem Bienenstock flach. Wenn es für die Bienen um einen neuen Wohnort geht, dann wird außerdem deutlich, dass sie ein breites Wissensspektrum nutzen. Nicht eine Kundschafterin bestimmt…

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Autor Dr. Werner von der Ohe

Dr. Werner von der Ohe

Dr. Werner von der Ohe ist Leiter des LAVES Institus für Bienenkunde in Celle.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Auswirkung von Pflanzenschutzmitteln auf Bienen, Bienenphysiologie und -ernährung sowie Umweltmonitoring mit Honigbienen.