Bindung aus Sicht der Beschäftigten

Wie Win-win-Situationen entstehen

Führung will gelernt sein

Der langfristige Erfolg von Unternehmen hängt zum großen Teil von den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern ab: Diese Erkenntnis scheint sich mittlerweile bei vielen Unternehmen durchgesetzt zu haben. Ein Indiz dafür ist, dass im Vordergrund der Personalberichterstattung der großen Unternehmen zunehmend die Eigendarstellung als attraktiver Arbeitgeber steht, für den es sich zu arbeiten lohnt. Ausgedrückt wird dies in Sätzen wie „Unsere MitarbeiterInnen sind unser wichtigstes Gut“ oder „Unsere MitarbeiterInnen sind unser wichtigstes Kapital“. Ob sich dies jenseits der Verlautbarungen nach außen immer auch in der Kultur der Organisation widerspiegelt, steht auf einem anderen Blatt. Klar ist: Der Wettbewerb um gute MitarbeiterInnen – der „War for Talents“ – wird härter. Vielerorts hat der Fachkräftemangel Einzug gehalten, zahlreiche Qualifikationen sind bereits heute Mangelware am Arbeitsmarkt.

Wenn es gelingt, qualifizierte MitarbeiterInnen für das Unternehmen zu rekrutieren, ist also schon mal eine wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches Agieren am Markt geschaffen. Allerdings ist damit gerade mal der erste Schritt getan. Nun muss das Unternehmen sicherstellen, dass die Mitarbeiter- Innen ihre Qualifikationen zum Wohl des Unternehmens dauerhaft einbringen. Das Zauberwort heißt hier Mitarbeiterbindung.

Weiche Faktoren für den Erfolg

Unerlässlich für den Unternehmenserfolg sind neben den passenden Qualifikationen Faktoren, die oft als „weich“ tituliert werden: Motivation, Teamfähigkeit und Innovationsfähigkeit. Während passende Qualifikationen häufig mit erfolgreichem Recruiting eingekauft oder durch Schulungsmaßnahmen entwickelt werden können, ist das bei den weichen Faktoren schwieriger. Ihre Ausprägung ist eng mit der Unternehmens- und Führungskultur verknüpft. Sie sind zarte Pflänzchen, die nur in geeignetem Umfeld gedeihen und bei schlechter Behandlung schnell eingehen. Um sie dann wieder zum Wachsen zu bringen, braucht es viel Zeit und Mühe.

Der Motivation kommt bei den weichen Faktoren die Schlüsselrolle zu. Nur bei motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die gern für ihr Unternehmen arbeiten und sich dem Unternehmen verbunden fühlen, kommen langfristig ihre Fähigkeiten zum Vorteil des Unternehmens zum Tragen. Auch die/der kooperativste und innovativste Mitarbeiterin/Mitarbeiter wird ihre/seine Fähigkeiten langfristig nicht zum Wohle des Unternehmens einsetzen, wenn die Motivation, wenn das Gefühl der Verbundenheit fehlt. Ja, Mitarbeiterbindung hat mit Gefühl, mit Befinden zu tun. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum sich manch zahlengetriebener Manager ungern mit diesem Thema auseinandersetzt.

Bindung ist nicht so ohne Weiteres in Zahlen zu fassen, der Return on Invest­ment bei Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeiterbindung nicht einfach zu beziffern. Und dennoch ist die Mitarbeiterbindung zentrale Aufgabe der Geschäftsführung bzw. des Managements, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels. Je weniger leicht ersetzbar die einzelne Mitarbeiterin/der einzelne Mitarbeiter für das Unternehmen ist, desto wichtiger ist die Mitarbeiterbindung für den langfristigen Unternehmenserfolg. In Zeiten von Arbeitskräfteüberschuss und hoher Arbeitslosigkeit mag es zwar ein Gebot der Humanität sein, auf das Wohl der Mitarbeiter zu achten – wirtschaftlich notwendig ist es nicht. In einem Umfeld mit einem Überangebot an Arbeitskraft hat das Thema Mitarbeiterbindung keine Konjunktur – wir kennen das aus Ländern mit hohem Arbeitskräfteangebot, aber auch aus der eigenen Geschichte.

Was Unternehmen für die Bindung tun sollten

Wenn aber Fachkräfte rar und Alternativen für die Beschäftigten zahlreich sind, heißt es, MitarbeiterInnen im Unternehmen zu halten, sie an das Unternehmen zu binden. Was kann das Unternehmen dafür tun? Angemessene und existenzsichernde Bezahlung ist sicher eine wesentliche Voraussetzung, reicht aber nicht aus. Es bedarf einer Vielzahl von Maßnahmen und Faktoren. Nicht alles kostet viel Geld. Die MitarbeiterInnen müssen ihren Job mit ihrem Privatleben in Einklang bringen können, mit der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen, mit ehrenamtlichem Engagement oder auch mit Hobbys – helfen können hier flexible Arbeitszeiten im Sinne der Beschäftigten und eine flexible Arbeitsorganisation.

In vielen Bereichen eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten. Gesunde Arbeitsbedingungen, Aufgaben, die weder zur Unter- noch zur Überforderung führen, Beteiligung der Beschäftigten an den Entscheidungsprozessen, Wertschätzung, Personalentwicklung, Aus- und Weiterbildung, all dies hat Einfluss auf die Bindung der MitarbeiterInnen ans Unternehmen. Dazu gehört es auch, die Personaldecke bei Auftragsschwächen soweit möglich, nicht sofort zu reduzieren, auch wenn dies kurzfristig betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint. Wir haben es also mit einer großen Bandbreite an Themen zu tun. Für die Unternehmen ergibt sich daraus eine anspruchsvolle Aufgabe: eine Lösung von der Stange gibt es nicht. Jedes Unternehmen wird zu individuellen passenden Lösungen kommen müssen – bestenfalls unter Beteiligung der Beschäftigten, denn Beteiligung schafft Bindung. Für die konkrete Ausgestaltung von Maßnahmen auf Unternehmensebene – vom MitarbeiterInnengespräch bis zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung – gibt es jede Menge Unterstützung durch Verbände, Publikationen und Projekte.

Langfristiger Ertrag durch Bindung

Was haben die Unternehmen davon? Warum sollten sie in Bindung investieren? Für sie bedeutet die Bindung ihrer MitarbeiterInnen ans Unternehmen Loyalität , Kontinuität und Verlässlichkeit in der Leistung sowie weniger Kosten für Recruiting und Einarbeitung. Investitionen in Weiterbildung und Gesundheitsförderung zahlen sich für die Unternehmen eher aus, wenn die geförderten Beschäftigten langfristig im Unternehmen bleiben. Für die Beschäftigten liegen die Vorteile auf der Hand: ein gesundes Arbeitsklima, das es erlaubt, Arbeit und Privatleben in guter Balance zu halten, die Beteiligung an Entscheidungen, die passende Qualifikation für die Tätigkeit mit der Möglichkeit zu Weiterbildung und Weiterentwicklung, das Gefühl, wertgeschätzt zu werden – all dies trägt zum Wohlbefinden der Beschäftigten bei und bindet sie an das Unternehmen. Sie gehen gern zur Arbeit und geben dafür Loyalität und gute Leistung an das Unternehmen zurück. Im besten Fall bleiben sie gesund und können auch im fortgeschrittenen Alter noch arbeiten und ihren Erfahrungsschatz einbringen.

In der Wirtschaftskrise 2009 hat der Gesetzgeber mit dem Kurzarbeitergeld ein externes Bindungsinstrument unterstützt, das es Unternehmen erlaubte, MitarbeiterInnen trotz mangelhafter Auftragslage zu halten. Der Verdienstausfall der MitarbeiterInnen in Kurzarbeit wurde teilweise ausgeglichen, Kündigungen konnten so in vielen Fällen vermieden werden. Deutschland, so die Einschätzung vieler Wirtschaftswissenschaftler, ist nicht zuletzt deshalb vergleichsweise unbeschadet aus der Krise gekommen, und die Unternehmen konnten auf das nach der Krise steigende Auftragsvolumen schnell und flexibel reagieren, weil sie ihre MitarbeiterInnen an Bord hatten.

Interessenskonflikte sind vorhanden

Also bringt Mitarbeiterbindung nur Vorteile für alle und birgt keinen Interessenskonflikt? Eine Win-win-Situation? Nicht ganz – Konflikte gibt es spätestens dann, wenn Geld im Spiel ist. Einige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung sind durchaus mit finanziellen Investitionen für das Unternehmen verbunden – Mitarbeiterbindung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Aus- und Weiterbildung kostet beispielsweise Geld, das Unternehmen muss in Vorleistung gehen. Hier fängt der Interessenkonflikt an und muss ausgetragen werden.

Auch ist die langfristige Bindung an das Unternehmen nicht in jedem Fall auch im Interesse der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters – das Sammeln von Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen ist in manchen Berufen fast schon Voraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben, etwa in der Gastronomie. Die Bedeutung dieser Themen ist den Gewerkschaften und Interessenvertretungen bewusst. Sie kümmern sich – neben Entgeltverhandlungen – traditionell um Themen wie Arbeitszeiten, Urlaub, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Work-Life-Balance, Aus- und Weiterbildung etc. Betriebsräte sind dazu teilweise sogar gesetzlich verpflichtet. In Deutschland sind die Gewerkschaften an der Entwicklung von Berufsbildern beteiligt. Hier setzen sie sich dafür ein, dass die Ausbildungen möglichst breit angelegt sind, um den Beschäftigten ein großes Einsatzspektrum – und damit auch einen Arbeitgeberwechsel – zu ermöglichen. Es gibt also beim Thema Mitarbeiterbindung durchaus unterschiedliche Interessen auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite.

Einvernehmliche Lösungen sind möglich

Die Schnittmenge an gemeinsamen Interessen ist allerdings groß – das zeigt sich u.a. auch darin, dass es zu solchen Themen viele erfolgreiche sozialpartnerschaftliche Projekte in verschiedenen Branchen gibt. Ein Beispiel ist das von 2010-2014 laufende PiK-Projekt im Kfz-Gewerbe in Schleswig-Holstein. Hier wurden in Kooperation mit der Gewerkschaft IG Metall und dem Kfz-Verband bedarfsorientiert Seminare entwickelt und durchgeführt, die den Beschäftigten und den Unternehmen der Branche gleichermaßen zugute kamen.

Zahlreiche Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in anderen Branchen zeigen, dass einvernehmliche Lösungen möglich sind und sich positiv auf die Bindung von Mitarbeitern an die Unternehmen auswirken. Ob dies gelingt, hängt…

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Autor Judith Beile

Dr. Judith Beile

Jahrgang 1966, ist Mitglied der Geschäftsleitung des Hamburger Forschungs- und Beratungsunternehmens wmp consult, Wilke Maack GmbH. Sie hat Geschichts- und Politikwissenschaften in Tübingen, New York und Hamburg studiert und in Neuerer Geschichte promoviert. Nach Referententätigkeiten für das Bundeskanzleramt und den Deutschen Bundestag stieg sie 1997 beim Unternehmen ISA Consult GmbH in die Beratungstätigkeit ein und ist seit 2003 für wmp consult tätig. Sie beschäftigt sich im Rahmen von Projekten und Studien u.a. mit den Themen Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Personalentwicklung, Nachhaltigkeit, Bildung und Digitalisierung.