Mimische Signale – Ausdruck einer

(Ver-)Bindung

Was Gesichter verraten

Das Gesicht glatt ziehen, bloß kein Gefühl zeigen, ein Pokerface aufsetzen – mein Gegenüber soll meine wahren Emotionen nicht erkennen. Die allerdings verraten sich von selbst durch eine nonverbale Sprache: die Mimik. Wie diese Sprache funktioniert, scheint klar zu sein. Bei näherem Hinsehen stellt sich allerdings heraus: Ganz so einfach ist es nicht. Was allerdings möglich ist, das soll im Folgenden thematisiert werden.
Emotionen zeigen sich grundsätzlich über ihren mimischen Ausdruck. Die nonverbalen Signale, die dabei gesendet werden, müssen nur schnell genug erkannt werden. Das ist anspruchsvoll. Deshalb wird die Teilnahme an dem Seminar „Die Wahrheit hinter den mimischen Ausdrücken“ sowie der Erwerb einer zusätzlichen Hör-DVD mit dem Titel „Gedanken lesen in 5 Schritten“ nicht reichen.
Auch Handlesen, Kartenlegen oder Kaffeesatzanalysen bringen nichts.

Basisemotionen sind eine globale Sprache

Wie lassen sich also wahre Emotionen erkennen? Die Wissenschaft hat die verräterisch zuckenden Muskeln, die unsere Mimik ausmachen, näher erforscht. Sie ist dabei zu einem klaren Ergebnis gelangt: Der Mensch spricht eine universelle Sprache aus sieben Basisemotionen.
Wut, Angst, Ekel, Verachtung, Überraschung, Freude und Trauer werden von Menschen in jeder Kultur und in jedem Winkel der Erde mimisch gleich zum Ausdruck gebracht. Jede dieser sieben Basisemotionen unserer menschlichen Mimik wird sowohl willkürlich gesteuert als auch unwillkürlich dargestellt. Von besonderem Interesse sind die ungesteuerten mimischen Reaktionen. Diese sogenannten Mikroausdrücke treten in der Regel auf, wenn jemand sich fest vorgenommen hat, eine Emotion zu maskieren. Es ist das „Nicht-Zeigen-Wollen“, das Verbergen von Gefühlen, das häufig in Verbindung steht mit einer Täuschung. Das wiederum kann ein Indiz für eine verbale Lüge sein. Tritt eine Reihe weiterer Indizien hinzu, dann lässt das eine Lüge vermuten.
Mikroausdrücke sind also eine sehr wichtige Quelle, um einen Täuschungsversuch erkennen zu können. Mimische Ausdrücke sind schneller als eine bewusste Steuerung durch unser Gehirn, als unser Verstand. Unsere Mimik ist schneller als unser Verstand. Viel Zeit haben wir für das Erkennen allerdings nicht. Das menschliche Hirn braucht maximal eine halbe Sekunde Zeit, um vom Verstand die Information zu erhalten, eine Emotion nicht zu zeigen. Dieser Wimpernschlag reicht jedoch geübten Lesern der menschlichen Mimik aus, ein „falsches Spiel“ zu entlarven. Diese Zuckungen begegnen uns im täglichen Leben. Bewusst wahrnehmbar sind sie allerdings nur mit viel Übung, ganz so, wie geübte Wildhüter seltene Tiere in der Savanne aufspüren, die dem „normalen“ Beobachter entgehen.

Fehler des Othello

Im Kontext einer Unterhaltung und im mimischen Ausdruck der Gesprächspartner lauern auch Gefahren, und zwar die fehlerhafte Deutung tatsächlich auftretender Signale. Ehrliche Menschen, die zum Beispiel zu Unrecht verdächtigt werden, verhalten sich eventuell genauso wie Lügner; denn beide fürchten negative Konsequenzen.
Der Mimikexperte Paul Ekman unterscheidet in diesem Zusammenhang die folgenden sieben Kontextfaktoren, die auch „Der Fehler des Othello“ genannt werden.

  • Was gilt es also in Bezug auf den Kontext, in dem Beobachtungen gemacht werden, zu beachten?
    1. Art des Gesprächs: Um welches Gespräch handelt es sich? Zwanglos, kritikbehaftet, förmlich, stressbelastet?
    2. Art und Geschichte der Beziehung: Welche Art der Verbindung haben die Gesprächspartner zueinander?
    3. Sender-Empfänger: Wann zeigt sich der Emotionsausdruck? Während des Sendens oder während des Empfangens?
    4. Quelle des Auslösers: Liegt eine innere oder äußere Quelle der Emotion vor? Zieht der Empfänger der Information seine Reaktion aus Vergangenem, Gegenwärtigem, oder ist es eine Vorwegnahme?
    5. Kongruenz (Übereinstimmung): Passt die Mimik zu den anderen Kommunikationskanälen wie Körpersprache, Stimmlage, Gestik?
    6. Persönlichkeit: Welches Normalverhalten hat die Person? Ist diese Person der strukturliebende Typ, die querulatorische Persönlichkeit, der wachsame oder der passiv-aggressive Gesprächspartner?
    7. Kultur: Welche Bewertungsfilter hat die Person durch Kultur und Erziehung mitbekommen?

Zur Verdeutlichung zwei Beispiele:
Erwähnt der Befrager ein Gerücht, und der Befragte reagiert darauf mit Verachtung, dann kann diese Reaktion durch das Gerücht selbst, durch denjenigen, der es aufgebracht hat (die Quelle der „Information“), oder aber durch den Befrager ausgelöst worden sein. Zeigt eine Person Betroffenheit als Reaktion auf die Frage „Hast du geklaut?“, so ist das nicht notwendigerweise ein Eingeständnis, sondern kann auch dadurch ausgelöst worden sein, dass der Befragte sich die zu erwartende Strafe ausmalt, sofern ihm nicht geglaubt wird. Oder die befragte Person weiß, wer für den Diebstahl verantwortlich ist, möchte diese jedoch schützen oder will nicht als Verräter dastehen.
Der „Fehler des Othello“ kann nur dadurch minimiert werden, dass intensiv nachgefragt wird. Profis auf diesem Gebiet nutzen entsprechende Fragen, um dadurch einen Reiz (Stimulus) zu setzen und eine Reaktion beim Gegenüber zu provozieren. Diese Technik nennt sich Orientierungsreflex. Dieser Reflex wurde in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts vom russischen Mediziner und Psychologen Iwan Pawlow erkannt. Zu solchen Reflexen gehört das Erröten. Diese natürliche nonverbale Erwiderung auf einen Stimulus wird vom vegetativen Nervensystem gesteuert und lässt sich nicht bewusst vom Menschen lenken. Eine solche Reaktion veranlasst den Fragenden genauer hinzusehen. Es ist wieder darauf zu achten, dass – gemäß Ekmans Empfehlung – die genaue Überprüfung des Kontextes erfolgt.

Mimik als Indikator für Bindung

Grundsätzlich können aus den sieben Basisemotionen emotionale Zustände, Widersprüche, Kongruenzen und Inkongruenzen, Zuneigungen, Abneigungen und Übereinstimmungen gelesen werden. Diese Tatsache ist auch im Bereich einer positiven Gesprächsführung, sei es im Bewerbungsgespräch, im Dialog mit einem Verkäufer oder in einem Eltern-Kind-Gespräch sehr wichtig. Hier kommt das Thema Bindung ins Spiel. Bindung ist in der Mimik erkennbar. Es genügt, darauf zu achten, wie sich Gesprächspartner mimisch angleichen, wenn sie sich verstehen, einer Meinung sind oder aber im Falle einer Meinungsverschiedenheit sich voneinander unterscheiden. Es lässt sich sogar sagen: Je mehr sich die Mimik zweier Menschen angleicht, desto höher ist das Verständnis und die Sympathie füreinander und für das bestehende Thema. Der mimische Gleichklang ist ein natürlicher Ausdruck von Empathie. Wenn jemand traurig ist, ist ein Lachen des Gesprächspartners nicht angebracht. In diesem Fall wird ganz natürlich ein trauriger Gesichtsausdruck gezeigt, der dem Gegenüber nonverbal mitteilt: „Ich sehe, wie du dich fühlst“ bzw. „Ich verstehe dich und deine Situation“ oder „Ich fühle mit dir.“
Ein anderes Beispiel ist das ansteckende Lachen. Bei Wut darf der Gesprächspartner gerne kurze abgeschwächte Wut in Form von Irritation zeigen und mit Worten wie „Das würde mich auch wütend machen.“ dem Gesprächspartner signalisieren: „Ich verstehe dich sehr gut.“
Diese Mischung aus verbalen und nonverbalen Signalen wirkt wie ein Verständnismultiplikator und baut eine „goldene Kommunikationsbrücke“. Inkongruenzen zwischen Mimik und verbalen Äußerungen stören dagegen eine Kommunikation in empfindlicher Weise. Menschen sind irritiert, wenn ihnen jemand eine Gesprächszeit einräumt und gleichzeitig verstohlen auf die Uhr schaut, oder wenn er „ganz Ohr“ sein will, aber abwesend in die Ferne schaut, oder ein Lächeln nicht erwidert, obwohl er doch gesagt hat, dass er mitfühlt. Diese Widersprüche stören die Beziehung der beiden Gesprächspartner. Sie verunsichern und rufen auf diese Weise ungute Gefühle hervor, die letztlich eine Gesprächssituation unproduktiv werden lassen.

Gesichter erzählen Geschichten

Gute Mimikleser sind auch in der Lage, Vergangenheit und Gegenwart eines Gegenübers zu erkennen. Jeder kann das mithilfe eines Selfies selbst überprüfen. Zwei Aufnahmen des Gesichts in Entspannung werden gemacht. Dabei wird erst die eine, dann die andere Gesichtshälfte abgedeckt. Bei der Betrachtung kann jeder für sich das biografisch Gelebte „lesen“. Woran liegt das? Unsere fein trainierten muskulären Verbindungen prägen unsere Gesichtsform und sprechen Vergangenes und Gegenwärtiges aus. Jeder Mensch hat eine Basisdarstellung in seinen Gesichtszügen. Dieses ist vergleichbar mit dem Unterschied zwischen einem trainierten und einem untrainierten Körper. Der trainierte Körper hat eine andere Form als der untrainierte, weil sich beide entsprechend der unterschiedlich ausgeprägten Muskulatur formen. So verhält es sich auch mit unserem Gesicht. Eine Falte kann Zeichen einer häufig gezeigten Emotion sein und lässt demzufolge Rückschlüsse auf die Vergangenheit zu. Wir sind also wenigstens bei uns selbst in der Lage, diese – zum Teil minimalen – mimischen Ausdrücke zu erkennen. So sagt der Volksmund zutreffend: Ein Gesicht spricht Bände! Damit sind unendlich facettenreiche Informationen verfügbar, die Menschen unbewusst von sich preisgeben. Diese ehrliche Sprache der Kommunikation nutzen zu können, wird dabei helfen, sich ein genaueres Bild von seinem Gegenüber zu machen und damit auch dazu führen, Manipulationen und Täuschungen leichter aufzudecken.

Mimikerkennung ist kompliziert

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass niemand von heute auf morgen ein guter Leser von Mimik und Emotionen sein kann. Paul Ekman stellte im Zusammenhang mit der Entdeckung der sieben Basisemotionen in den 60er-Jahren außerdem fest, dass das menschliche Gesicht aus 43 Muskeln besteht und diese über…

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Autorin Sabrina Rizzo

Sabrina Rizzo

Sabrina Rizzo bewegt sich seit über zehn Jahren in den Führungsebenen namhafter Unternehmen der Sicherheitsbranche. Sie greift mit ihrem Schwerpunkt „Private Profiling“ auf jahrelange Praxiserfahrung zurück, die sie unter anderem an Flughäfen wie München oder Hamburg sammeln konnte.
Inzwischen zählen Polizei, Ausbilder für Luftsicherheit, Unternehmen mit Sicherheitspersonal an deutschen Flug- und Seehäfen sowie zuständige Behörden zu ihren Kunden. Aber auch Privatpersonen nutzen ihre Expertise. Darunter sind Sozialpädagogen ebenso zu finden wie Therapeuten oder Ärzte.