Die Unterstützungstechnik oder für jeden Topf ein Deckel

Takt ist die Fähigkeit, einem anderen auf die Beine zu helfen, ohne ihm dabei auf die Zehen zu treten.
Curt Goetz (1888-1960)

Durch die einfache Nennung einer Produkteigenschaft wird noch nicht die Vorstellungskraft des Kunden angeregt. Bilder im Kopf des Kunden sind aber notwendig, damit er erkennen kann, warum gerade das Produkt seinen Bedürfnissen entspricht.

 

Der Kundennutzen ist der einer Bedarfsanalyse folgende Schritt. Zunächst also hat die Kundin/der Kunde Wünsche und Erwartungen an das Produkt formuliert. Anschließend nutzt die Verkäuferin/der Verkäufer Eigenschaften des Produkts, um deutlich zu machen, inwieweit die zur Auswahl stehenden Modelle diesen Vorgaben entsprechen.

Wieder soll ein beobachteter Fall zeigen, warum es so wichtig ist, die beiden Schritte – Bedarfsanalyse und danach Nennung des/der Kundennutzen – zu gehen. Ein Annahmemeister, der seit zehn Jahren im Autohaus beschäftigt ist, stand einem Neukunden gegenüber. Der interessierte sich für eine Dachbox. Immerhin folgte der Begrüßung eine offene Frage des Meisters: „Welches Fahrzeug fahren Sie?“ Nach Nennung des Modells bat der Meister den Kunden in die Ecke mit den Dachboxen. Zielstrebig steuerte der Mitarbeiter des Autohauses auf ein Modell zu und legte los: „Diese Box hat eine Schwarz-Metallic-Lackierung, 250 Liter Volumen, interne Spanngurte, einen Sicherheitsverschluss, wiegt 9 Kilo, und sie kann mit 75 Kilo beladen werden.“

Der von dieser Aufzählung „erschlagene“ ältere Herr, nutzte eine kurze Pause, um nach dem Preis zu fragen. Nachdem er „279 Euro“ vernommen hatte, kam das fast schon obligatorische: „Hm. Das muss ich mir noch mal überlegen.“ Was dieser freundlichen Verabschiedung folgte, das haben die Trainer nicht mehr in Erfahrung bringen können, aber es gehören kaum hellseherische Fähigkeiten dazu vorauszusagen, der Kunde überlegt heute noch – wenn er nicht woanders einen neuen Versuch gemacht hat und dort auf Personal traf, das sowohl Bedarfsanalyse als auch Kundennutzen „im Programm hatte“.

Was ist konkret schief gelaufen? Es hat keine Bedarfsanalyse stattgefunden. Deshalb wusste der Verkäufer nicht, was für den Herrn wichtig ist. Er kannte nur das Pkw-Modell, das der Kunde fuhr. Aus diesem Grund blieb dem Verkäufer nichts anderes übrig, als zu der für das Auto passenden Dachbox zu gehen und dann deren Datenblatt „runter zu rattern“. Da er die Bedürfnisse des Kunden nicht durch Fragen herauszubekommen versuchte, konnte er keinen Nutzen formulieren. Was wäre denn ein Nutzen von 250 Litern Volumen? Nun, das bequeme Verstauen zweier Kite-Boards mit mehreren Schirmen, Neopren-Anzügen, Trapezen und allem, was für einen tollen Tag auf dem Wasser notwendig ist. Ja, und wenn der ältere Herr nun kein Kiter sondern ein Angler ist? Eben. Der Nutzen ergibt sich aus dem, wofür der Kunde das Produkt benötigt. Das gilt es herauszubekommen. Es gibt Kunden, die einem bereitwillig, ohne dass ihnen auch nur eine Frage gestellt worden ist, bis ins Detail erzählen, was sie mit dem Produkt, für das sie sich interessieren, anzufangen gedenken. Sehr viele aber sind nicht so auskunftsfreudig. Da helfen dann nur offene Fragen, die den Betreffenden zum Reden bringen.

Das geschah in obigem Fall nicht, und so konnte der Kunde nicht erkennen, was er für sein Geld bekommen würde. 279 € für „schwarze 250 Liter“ – da blieb zu vieles unklar, und so nahm er den einfachsten Weg, um ohne zu große Peinlichkeit aus dieser Situation rauszukommen: „Ich muss mir das noch mal überlegen.“ Eine gute Bedarfsanalyse ermöglicht der Verkäuferin/dem Verkäufer noch etwas. Sie/er kann beim Kunden Bilder im Kopf erzeugen, das „Malbuch der Sinne“ für den Verkauf nutzen.

Wie? Wenn obiger Kunde wirklich ein Hobby-Angler ist, der z. B. gerne an der Ostsee auf Dorschfang geht, dann könnte ein Bild so aussehen: „Mit dieser geräumigen Dachbox müssen Sie nicht mehr überlegen, wie Sie die Angelruten zusammen mit den feuchten und sandigen Wathosen im Kofferraum unterbringen. Der Innenraum Ihres Wagens bleibt sauber, Sie behalten klare Sicht nach hinten, weil nicht irgendein Angelutensil Ihnen den Blick versperrt, und die Angelruten werden nicht beschädigt, weil sie mit den Spanngurten in der Dachbox gesichert werden können. Sie fahren also deutlich sicherer!“ Das sind Bilder, die dem Kunden helfen, die Vorteile des Produkts und damit auch die Gründe für seine Kaufentscheidung im Sinn zu behalten.
Mit dem Malen von Bildern wird also einer späteren Reue über den Kauf vorgebeugt. Selbst wenn dann Einwände, z. B. von jemandem aus der Familie kommen (die Ehefrau: „Was willst Du denn mit diesem schwarzen Plastiksarg?“), sind die Argumente präsent.

Bilder helfen dem Kunden, den Transfer von seinem geäußerten Bedarf zum tatsächlichen Nutzen zu schaffen. Muss sich der Kunde rechtfertigen (vielleicht sogar vor sich selbst), dann sind Gründe für den Kauf sofort präsent. So werden auch Reklamationen vermieden, hinter denen oft ein „Erinnerungsloch“ steckt („Warum hab ich mir das eigentlich gekauft?“), das wiederum durch eine mangelhafte Bedarfsanalyse verursacht wurde. Der Verkäufer hat entweder nur Eigenschaften des Produkts genannt oder aber vor allem Gründe, warum er das Produkt kaufen würde. Das sind aber nicht notwendigerweise die, die dem Kunden wichtig sind.

Fazit: Eine ausreichende Bedarfsanalyse ermöglicht es der Verkäuferin/demVerkäufer, der Kundin/dem Kunden den Nutzen, den sie/er von ihrer/seiner Kaufentscheidung hat, zu erkennen. Wenn dies unterstützt wird durch das „Malbuch der Sinne“, dann wird Verkauf nie ein Zuquatschen oder Aufschwatzen sein, sondern die Erfüllung von Kundenwünschen.

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