Die Begrüßung oder der Weg zum Herzen des Kunden

Kleine Sachen gut zu machen ist der beste Weg, um bald große Sachen besser zu machen. Unbekannt

Die Begrüßung ist die erste und beste Möglichkeit, eine Beziehung zum Kunden aufzubauen. Das Servicepersonal sollte sie nie ungenutzt verstreichen lassen.
Ein Lächeln und eine offene Körperhaltung sind wichtige Elemente einer positiven nonverbalen Kommunikation. So entsteht augenblicklich eine gute Grundstimmung, die den weiteren Kundenkontakt sehr viel einfacher gestaltet.

 

Die Trainer des PiK-Projektes waren nicht überrascht. Sie schmunzelten manchmal, wenn sich ihre Beobachtungen wieder einmal bestätigten; in schlimmeren Fällen schüttelten sie auch schon mal mit dem Kopf. Welche Beobachtungen? Die, die sich auf die Begrüßung von Kunden konzentrierten. Die schleswig-holsteinischen Betriebe werden da keine Ausnahme sein, also darf verallgemeinert werden: Die Begrüßung gehört leider nicht zu den Selbstverständlichkeiten in Kfz-Betrieben. In geschätzt über der Hälfte aller beobachteten Fälle erfolgte überhaupt keine Begrüßung. Erst wenn die Kundin/der Kunde zielstrebig auf einen Mitarbeiter in der Annahme zu marschierte und zuerst grüßte, folgte das, was eigentlich selbstverständlich zuerst von MitarbeiterInnen kommen sollte.

Um im Modell Daniel Kahnemans zu bleiben, ist die Erwiderung des Grußes bei allen im schnellen Denken angelegt (S1). Den Gruß zuerst und freundlich zu entbieten, das ist offensichtlich bei vielen nicht dort angelegt. Das muss also tatsächlich trainiert werden, was nichts anderes bedeutet, als es vom langsamen Denken (S2) in das schnelle (S1) zu überführen. MitarbeiterInnen wissen, dass sie die/den Kundin/Kunden mit einem Lächeln begrüßen sollten – und das zuerst. Sie wissen es, haben es in S2 parat, tun es aber nicht, weil es nicht durch konsequente Wiederholung zu einem Reflex (S1) geworden ist.

Dahinter steckt ganz allgemein die Festlegung falscher Prioritäten. Die Aufgabe, die sie vor sich haben, wird als wichtiger angesehen, als die/der eintretende Kundin/Kunde. Damit machen sich die Mitarbeiter-Innen das Leben schwer. Eine Begrüßung ohne Blickkontakt, ein Gruß, der zu spät oder vielleicht gar nicht kommt, wird das folgende Kundengespräch stark beeinflussen – nicht zum Guten, wie sich leicht denken lässt. Die Begrüßung ist die erste Kontaktaufnahme mit dem Kunden. Egal ob Neukunde, Bestandskunde oder „Montagskunde“, eine freundliche Begrüßung bedeutet ein positives „Priming“, eine positive Voreinstellung für das Folgende, weckt positive Emotionen beim Kunden und ist deshalb der Weg zum Herzen des Gegenüber. Wird hier nicht sofort „gepunktet“, ziehen sich viele Kunden sozusagen erst einmal in ihr Schneckenhäuschen zurück. Es ist dann sehr aufwändig, sie dort herauszuholen, sie von einer Dienstleistung zu überzeugen – sie gar zum Kauf eines Zusatzprodukts zu bewegen, ist nahezu unmöglich.

Es kommt noch schlimmer: Fehlende Begrüßungen oder Begrüßungen, die ohne Lächeln und gestresst von MitarbeiterInnen kommen, sind oft ein Grund für den Kunden, es mit einem anderen Autohaus zu versuchen. In Zeiten, in denen die Markenbindung nicht mehr so hoch ist, wie noch vor einigen Jahren, sollte also von Seiten der Führungsetage alles getan werden, um das Personal zu Begrüßungsexperten zu machen.

Eine freundliche Begrüßung ist also das unverzichtbare Fundament einer dauerhaften Kundenbeziehung. Wie die oben beschriebenen Beobachtungen zeigen, wird diese Komponente leider zu oft vernachlässigt. Mitarbeiter erhalten fachlich eine immer höhere Qualifikation (das ist selbstverständlich, weil die Autos technisch auch immer komplizierter werden), aber die Kompetenz im Umgang mit Menschen wächst nicht. Im Gegenteil: Aus dem subjektiven Empfinden heraus scheint sie sogar zu sinken. Es kann einfach nicht (mehr) vorausgesetzt werden, dass ein 25-jähriger Mechatroniker oder ein 23-jähriger Mitarbeiter an der Annahme Kunden richtig grüßt. Leider wird auch bei der Auswahl des Personals von Seiten der EntscheiderInnen häufig mehr Wert auf die fachliche als auf die soziale Kompetenz gelegt.

Natürlich gilt es auch – für markengebundene Betriebe – Anforderungen der Hersteller zu erfüllen, die ebenfalls den Schwerpunkt auf die fachliche Qualifikation legen. Ein weiterer Grund besteht darin, dass Fachkompetenz schnell messbar und damit viel einfacher zu kontrollieren ist. Emotionale und soziale Intelligenz festzustellen, setzt voraus, die betreffende Person in ihrem alltäglichen Umgang mit Kunden zu beobachten, was ungleich aufwändiger ist.

Fakt ist jedoch, dass mit sozialer und emotionaler Intelligenz eine höhere Kundenorientierung erreicht werden kann. Die wiederum bringt unterm Strich mehr Geld fürs Unternehmen als eine Konzentration auf die Fachkompetenz. Keineswegs soll die Wichtigkeit von Fachkompetenz bestritten werden. Es ist allerdings entscheidend zu erkennen, dass die Social oder Soft Skills (emotionale und soziale Intelligenz) nicht nur ihre Daseinsberechtigung haben, sondern von absoluter Wichtigkeit sind. Auf die fachliche Kompetenz wird schon von Haus aus geachtet. Außerdem gilt es noch Folgendes zu bedenken: Ein Mangel an Fachkompetenz lässt sich durch Schulungen beheben, einem Mangel an grundlegenden Fähigkeiten für einen freundlichen Umgang mit den Mitmenschen lässt sich nur durch einen ungleich höheren Schulungsaufwand abhelfen. Der wichtigste Teil einer „anständigen“ Begrüßung ist nonverbal. Körpersprache also. Studien beweisen, dass 93% unserer Kommunikation nonverbal ist.

Das bedeutet: Jede(r) MitarbeiterIn sollte mehr Wert auf Augenkontakt, ein Lächeln und die Tonlage legen als darauf, bei jedem Produkt auf dem allerletzten fachlichen Stand zu sein. Fachwissen kann dem Kunden nachgeliefert werden, ein Lächeln nicht. Menschen machen sich nämlich innerhalb von 0,6-1,2 s einen ersten Eindruck. Die überwiegende Mehrzahl der Kunden verzeiht eine nicht sofort erteilte Antwort auf eine Fachfrage, weil vielleicht erst einmal Informationen gesucht werden müssen. Wenn allerdings im Moment des ersten Augenkontakts ein Lächeln nicht erfolgt, dann ist der Zug abgefahren. Auch die höchste fachliche Kompetenz macht eine misslungene Körpersprache in der Begrüßung nicht wieder gut. Ein Lächeln kostet nichts, kein Lächeln dagegen im schlimmsten Fall die Kundin/den Kunden.

Umfragen unterstreichen diesen Punkt. Danach sind die meisten Kunden bereit, mehr Geld für ein Produkt zu bezahlen oder einen höheren Stundenverrechnungssatz zu akzeptieren, wenn sie freundlich und zuvorkommend behandelt werden. Warum also haben so wenige Häuser Freundlichkeit für sich zum Programm gemacht? Eine Rolle spielt natürlich die hohe Prozessorientierung der Hersteller. Der viele Papierkram, der von den MitarbeiterInnen zu erledigen ist, „drückt“ den Einzelnen immer wieder in Prozesse, die es schwer machen, sich jedes Mal aufs Neue bewusst auf den Kunden als Menschen einzulassen und ihn nicht als Vorgang zu betrachten. Je technisch durchorganisierter die menschliche Zivilisation wird, umso prozessorientierter werden alle Abläufe sein. Deshalb gilt es sich vermehrt darauf zu konzentrieren, an den sozialen und emotionalen Fähigkeiten zu arbeiten. Prozessorientierung schafft keine Kundenzufriedenheit!

Noch einmal zurück zur nonverbalen Kommunikation. Warum sind Mimik, Gestik, Körperhaltung und unsere Stimmlage von so überragender Bedeutung? Anders als Worte drückt die nonverbale Kommunikation Emotionen aus, und die sind für eine Kundenbindung unerlässlich. Unser Gehirn besitzt einen Filter, der uns vor unwichtigen Dingen schützt, Worte und Bilder einfach aussondert. So merkt sich kaum jemand die Farbe der Krawatte des Kollegen, obwohl der den ganzen Tag neben einem saß. Auch an Gehörtes erinnern sich Menschen schnell nicht mehr, kurzfristig bleiben etwa 15 % abrufbar, langfristig noch viel weniger. Emotionen aller Art dagegen bleiben haften und werden nicht herausgefiltert. Menschen erinnern sich ein Leben lang daran, wo sie gut behandelt wurden, z. B. in welchem Geschäft der Einkauf ein positives Erlebnis war. Das liegt daran, dass Emotionen auf einem anderen Weg ins Gehirn gelangen. Neurowissenschaftler sprechen vom unteren und oberen Pfad der Wahrnehmung. Folgender Fall illustriert, was damit gemeint ist: Ein Mann, den die Ärzte „Patient X“ nannten, hatte zwei Schlaganfälle erlitten, wodurch die Verbindung zwischen den Augen und den für das Sehen verantwortlichen Gehirnregionen im visuellen Kortex zerstört worden war. Zwar konnten seine Augen Signale aufnehmen, aber sein Gehirn konnte sie nicht entziffern, ja nicht einmal ihre Ankunft registrieren. „Patient X“ war rein physisch betrachtet vollkommen erblindet. Bei Tests, bei denen ihm verschiedene geometrische Formen wie Kreise und Quadrate oder Bilder von männlichen und weiblichen Gesichtern vorgelegt wurden, hatte er keine Ahnung, was seine Augen da betrachteten.

Als ihm aber Bilder von glücklichen oder wütenden Gesichtern gezeigt wurden, war er plötzlich in der Lage, die zur Schau gestellten Emotionen mit einer Trefferquote zu erraten, die kein Zufall sein konnte. Wie war das möglich? Während „Patient X“ die Fotos erfolgreich deutete, wurden Aufnahmen seines Gehirns gemacht. Sie zeigten eine Alternative zu dem üblichen Weg der Reizleitung, der vom Auge zum Thalamus führt, wo alle Sinneseindrücke zuerst auftreffen, um dann zum visuellen Kortex weitergeleitet zu werden. Bei diesem zweiten Pfad läuft die Information vom Thalamus direkt zur Amygdala (der Mandelkern, der aus zwei Teilen besteht, einem rechten und einem linken). Die Amygdala interpretiert die emotionale Bedeutung nonverbaler Mitteilungen, zum Beispiel eines finsteren Gesichtsausdrucks, einer plötzlichen Veränderung der Körperhaltung oder einer veränderten Tonlage. Dies geschieht in Bruchteilen von Sekunden, noch bevor eine Person weiß, was sie eigentlich sieht. „Patient X“ konnte die Emotionen auf den Gesichtern also nicht sehen, sondern er fühlte sie; ein Zustand, der als „affective blindsight“ („affektives Blindsehen“) bezeichnet wird. Im intakten Gehirn nutzt die Amygdala denselben Übertragungsweg, um die emotional bedeutsamen Aspekte aller Wahrnehmungen zu registrieren, zum Beispiel freudige Erregung im Tonfall, Anzeichen von Ärger um die Augen herum, eine Körperhaltung, die Niedergeschlagenheit ausdrückt. Die Information wird unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Bewusstseins verarbeitet. Diese reflexhafte, unbewusste Wahrnehmung vermittelt uns das entsprechende Gefühl, indem es in uns die gleiche Empfindung hervorruft, eventuell aber auch eine passende Reaktion, zum Beispiel, wenn wir Zorn wahrnehmen. Es handelt sich also um einen Schlüsselmechanismus, über den sich jemand von einem anderen ein Gefühl „einfangen“ kann.1

Kunden sehen also die Emotionen der nonverbalen Kommunikation des Personals nicht nur, sondern sie fühlen diese auch. Deshalb macht diese Form der Kommunikation 93 % aus. Auch mit den schönsten Worten kann der nonverbale Eindruck nicht verbal korrigiert werden. Tritt also ein Kunde durch die Tür, und die Damen und Herren am Empfang entscheiden sich erst, nachdem sie ihn gesehen haben, zu einem Lächeln, ist es schon zu spät. Der Weg der Wahrnehmung von Emotionen ist so schnell, dass Lächeln zur Grundeinstellung gehören muss, wenn Kunden sich wohlfühlen sollen. Die Rechnung ist so einfach: Mehr positive Emotionen bedeuten eine höhere Kundenzufriedenheit, eine höhere Kundenzufriedenheit bedeutet einen höheren Umsatz pro Kunde.
Deshalb gilt auch hier wieder: Jede(r) muss beständig an sich selbst arbeiten, damit Freundlichkeit zu einem natürlichen Reflex, zu einem Teil des schnellen Denkens (S1) wird. Eine Hilfe dabei, sich selbst und seine Wirkung auf andere zu erkennen, ist das offene Feedback der KollegInnen oder MitarbeiterInnen.

Da in der nonverbalen Kommunikation Fehler entstehen, sollen die folgenden Kapitel zusätzlich helfen, den Kunden so zu behandeln, dass er das Autohaus letztlich zufrieden verlässt – auch wenn bei der Begrüßung nicht alles optimal lief.

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