So steigt Gewinn durch Kundenzufriedenheit

Qualität beginnt damit, die Zufriedenheit des Kunden in dasZentrum des Denkens zu stellen. John F. Akers (*1934)

Zufriedene Kunden kaufen mehr und folgen den Empfehlungen des Unternehmens ihres Vertrauens.
Emotionen binden Kunden – mehr als jeder professionell erledigte Auftrag und jeder Preisnachlass.
Eine verbesserte Kundenorientierung führt zu positiven Erlebnissen mit den Kunden, was bei den MitarbeiterInnen die Freude am Job vergrößern wird.

 

„Verkauf“ – ein Wort, bei dem sich bei vielen die Nackenhaare sträuben und die Mundwinkel nach unten ziehen. Verkauf fühlt sich nicht mehr gut an. Auf Seiten der Verkäufer ist das Gefühl verbreitet, von der Mehrzahl der Kunden weder akzeptiert noch respektiert zu werden. Auf Seiten der Kunden wiederum herrscht der Eindruck vor, vom Verkäufer weder wahr- noch ernstgenommen zu werden. Insgesamt scheint es so zu sein, als habe sich in dem Verhältnis Verkäufer-Kunde vieles zum Negativen entwickelt.

Neueste Gallup-Studien, die sich mit dem Automobil-Sektor befassen, belegen dies. Zwei Drittel der Kunden fühlt sich im Autohaus nicht wohl. Sie befinden sich nicht in der Angst, gleich Geld ausgeben zu müssen, sondern werden vom Gefühl beherrscht, dass auf ihre Bedürfnisse nicht eingegangen wird. An dieser Stelle intervenieren wahrscheinlich die Verkäufer und Werkstattmeister und betonen, dass dem nicht so sei. Sie würden alles daran setzen, den Kunden glücklich zu machen. Damit haben sie absolut Recht, genauso wie die Kunden Recht haben. Hier steht also subjektive Wahrnehmung gegen subjektive Wahrnehmung. Die Beobachtungen, die im Rahmen von Seminaren mit über dreitausend Autohausmitarbeitern in Schleswig-Holstein gemacht wurden, zeigen immer wieder sehr deutlich, dass die Wünsche der einen Partei – Autohausmitarbeiter – von der anderen – Kunde – meist nicht erfüllt werden. Umgekehrt gilt dies eben auch.

Beide Parteien fühlen sich also auf verlorenem Posten. Häufig kommt es zu Missverständnissen und damit zu nachgelagerten Problemen. Beim Verkauf lief bereits etwas schief, und dann überlegt der Kunde es sich „plötzlich“ anders und reklamiert. Fehlende Zeit und zu viel Stress am Arbeitsplatz erhöhen die Fehlerquote des Mitarbeiters, verkürzen die Gesprächszeit mit dem Kunden und reduzieren die Zahl der Fragen, die für eine optimale Kundenorientierung wichtig wären, auf ein Minimum. Was übrig bleibt, ist Unzufriedenheit und das Gefühl, dass die jeweils andere Partei wohl nicht mehr alle der sprichwörtlichen Tassen im Schrank hat.

Bei Coachings im Rahmen des PiK-Projekts konnte oft beobachtet werden, dass bei Kundenkontakten Zeit durchaus vorhanden gewesen wäre. Die MitarbeiterInnen sahen aber nicht die Notwendigkeit, sich diese in dem Moment wirklich zu nehmen. Zeit, um z. B. einen Augenblick darüber nachzudenken, was die Bedürfnisse des Kunden wohl sein könnten. Da wird dann routinemäßig ein Klimaanlagenservice mit denselben Argumenten angeboten und das, obwohl in dem einen Fall das Kundenfahrzeug erst ein halbes Jahr alt ist und es in dem anderen in der nächsten Woche verkauft werden soll.

Zugegeben, auch den Kunden fehlt es oft an der nötigen Sensibilität. Sie bringen bereitwillig ein oder sogar zwei Stunden Zeit mit, wenn sie einen Termin beim Arzt haben, harren geduldig im Wartezimmer aus und hüten sich, auch nur den kleinsten Anschein von Unwillen erkennen zu lassen. Im Autohaus verhalten sich dieselben Personen ganz anders. Sie tauchen urplötzlich ohne Termin wie ein U-Boot auf und wollen sofort bedient werden. Auf die Lieferung ihres Neuwagens warten diese Kunden bereitwillig sechs Monate. Bei der Inanspruchnahme der Werkstatt aber haben sie jedes Zeitgefühl über Bord geworfen. Schon nach wenigen Minuten laufen sie aufgeregt hin und her. Geduld, Verständnis und eine gewisse Zeittoleranz haben sie offensichtlich beim Arzt gelassen. Das liegt wohl in der Tatsache begründet, dass es sich beim Gang zur Werkstatt um eine Angelegenheit für eine Sache handelt, bei dem der Mensch nur mittelbar betroffen ist. Zwar gilt das Auto als des Deutschen liebstes Kind, doch hat er es offensichtlich nicht so lieb wie die eigene Gesundheit oder neue Klamotten.

Beispiel: Verhaltensreflexion
Für das Servicepersonal geht es darum, sein Verhalten im Umgang mit den Kunden zu reflektieren und so Fehler zu vermeiden, wie sie in folgendem Beispiel exemplarisch dargestellt werden. Dem Kunden wurde ein Fahrraddachgepäckträger verkauft. Besser müsste es heißen aufgeschwatzt, denn eigentlich suchte er einen Träger für die Anhängerkupplung. Nun ist er wieder im Autohaus, denn zu Hause stellte er fest, dass er mit seinem kranken Rücken die Räder gar nicht aufs Dach bekommt. Es lässt sich leicht nachvollziehen, wie unzufrieden er mit dieser Situation ist. Er fühlt sich schlecht beraten und nicht ernst genommen. Klar, er war auch zu feige etwas zu sagen, aber er wollte nun mal nicht unhöflich sein. So tief geht seine Verärgerung, die er nie offen zeigen würde, dass er die Automarke wechselt. So muss er sich nicht rechtfertigen und erklären, warum er nicht mehr in das Autohaus, in seine langjährige Werkstatt geht.

Bespiel: Montagsfahrzeuge = Montagskunden?
Noch ein weiteres anschauliches Beispiel, wie leicht in der Kundenbeziehung Schwierigkeiten entstehen können. Ein Kunde hat eines dieser berühmt-berüchtigten Montagsfahrzeuge. Als sei das nicht schon genug, fühlt er sich bei seinem Händler auch noch wie ein „Montagskunde“. Wenn er wieder einmal wegen irgendeines dieser unzähligen Fahrzeug-Probleme das Autohaus betritt, schlägt ihm eine nonverbale Welle des Nicht-Willkommen-Seins entgegen. Er glaubt, dass ihn die Damen und Herren in der Werkstatt für die Pannen-Serie verantwortlich machen. In Wirklichkeit dachten die Werkstattmitarbeiter nur: „Oh nein, was hat die Karre denn heute wieder?“ Aber anstatt das Auto mit diesem Blick anzuschauen, bekam der Kunde das nonverbale Strafgericht ab. Er verstand es so, wie er es verstehen musste: „Oh nein, was hat der Typ denn heute wieder?“ Nur ein Ausrutscher? Von wegen. Das passiert leider viel zu häufig. Kein Wunder, wenn sich ein solcher Kunde nicht angemessen behandelt fühlt. Ein Wechsel zur Konkurrenz liegt nahe – auch wenn er da nicht unbedingt besser behandelt wird.

In den beiden eben geschilderten Fällen, die im Rahmen des PiK-Projekts in verschiedenen Autohäusern beobachtet wurden, verhielten sich die Mitarbeiter nach ihrem eigenen Verständnis richtig. Leider fehlte bei allen die notwendige Reflexion, die an sich selbst gestellte Frage: „Wie wirke ich eigentlich mit diesem Verhalten auf meine Kunden?“. Da auch vielen Kunden heute die Fähigkeit richtig zu kommunizieren abhandengekommen ist, intervenieren sie auch nicht mehr während des Gesprächs, sondern handeln – oft völlig überzogen – erst, wenn sie den Laden verlassen haben; meist mit einem Wechsel zum Konkurrenten. Damit haben die InhaberInnen und MitarbeiterInnen der Kfz-Betriebe überhaupt keine Möglichkeit mehr zu reagieren. Daher muss alles daran gesetzt werden, frühzeitig die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Es gilt die Gefühlslage der Kundin/des Kunden zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Es geht nicht darum, den Schuldigen an die Wand zu stellen. Den gibt es nicht, da beide – Kunde und MitarbeiterInnen – Recht haben (und Unrecht). Da niemand, der im Servicebereich arbeitet, vom Kunden erwarten kann, dass der sich anpasst, muss also eine Verhaltensänderung bei denen erfolgen, die die Dienstleister sind. Wie notwendig das ist, zeigt eine Umfrage unter 473 Autofahrerinnen. Danach fühlen sich nur fünf Prozent der Frauen im Autohaus respektvoll behandelt. Ganze 73 Prozent haben das Empfinden, nicht ernst genommen zu werden. Bei den Männern sehen die Zahlen etwas besser aus, was nichts daran ändert, dass jedem, dem der Servicegedanke wirklich am Herzen liegt, beim Lesen der Statistik die Tränen kommen. Wie kann das sein, obwohl alle ihr Bestes geben? Es ist sicher ein paradoxes Phänomen, das sich nicht so einfach erklären lässt. In diesem Teil des Buches sollen Ansätze und Erklärungen gegeben werden, die ein wenig Licht ins Dunkel bringen.

Was erwarten Kunden?
Die Frage ist leicht zu beantworten, wenn sie anders formuliert wird: Was erwarte ich persönlich, wenn ich in ein Geschäft gehe?

  • eine freundliche Begrüßung
  • ein Lächeln
  • Hilfe wird angeboten
  • den eigenen Wünschen wird entsprochen
  • Fragen werden freundlich beantwortet
  • Fachwissen
  • ein Dankeschön für den Einkauf
  • eine freundliche Verabschiedung

Interessanterweise wünschen sich fast alle das Gleiche – also sollten die Kunden eines Autohauses das doch auch bekommen. Wie sieht es aber in der Praxis aus? In vielen im Verlauf des PiK-Projekts beobachteten Fällen betonten die MitarbeiterInnen ihr Fachwissen, vernachlässigten im Kundenkontakt aber die sozialen und emotionalen Aspekte der Arbeit. Genaue Kenntnisse über das, was zum jeweiligen Aufgabengebiet gehört, sind unbestritten wichtig. Zu bedenken ist jedoch, dass Fachwissen weder Kundenbindung noch Kundenzufriedenheit schafft. Letztere wird fast ausschließlich durch die sogenannten Soft Skills erreicht, die wiederum soziale und emotionale Intelligenz voraussetzen. Jede(r) UnternehmerIn sollte sich deshalb fragen: Worauf lege ich in meinem Unternehmen Wert? Wie wichtig sind mir die menschlichen Komponenten im Kundenkontakt?
Noch einmal: Alle Punkte in der obigen Liste sind den Kunden wichtig. Fachwissen spricht allerdings nur das Kahnemansche System 2, das langsame Denken an. Freundlichkeit dagegen wird in Bruchteilen von Sekunden wahrgenommen, und das von dem schnellen Denken S1. Wenn also die Begrüßung oberflächlich war, vielleicht weil MitarbeiterInnen gerade mit einer Aufgabe beschäftigt waren, kann dieser Fauxpas nicht durch Fachwissen ausgebügelt werden. Hier sollte sofort in die Kiste mit den „sozialen Werkzeugen“ gegriffen werden, denn nur so lässt sich der negative erste Eindruck abschwächen. Eine ernstgemeinte Entschuldigung dafür, dass die/der MitarbeiterIn im Stress dem Kunden nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hat, wirkt sofort, da auch hier das S1 angesprochen wird.

Immerhin ist von Seiten der MitarbeiterInnen in einigen Fällen so viel soziale Kompetenz da, dass die nicht optimale Behandlung des Kunden wahrgenommen wird. Ein Reflex ist dann eine materielle Entschädigung in Form von Give-aways oder einer kostenfreien Autowäsche. Diese gut gemeinte Geste wird im rationalen Bereich (S2) verarbeitet. Wirkliche Zufriedenheit wird dadurch allerdings nur selten erreicht. Der Kunde errechnet den Betrag für die Wiedergutmachung und zieht diesen einfach vom Rechnungsbetrag ab. Da muss schon wirklich was „rausspringen“, damit der negative Ersteindruck zumindest neutralisiert wird. Ein 5-Euro-Pflegemittel erreicht diese Wirkung auf keinen Fall.

Was Kundenorientierung bedeutet, das lässt sich also leicht benennen. Warum wird diese dennoch zu selten gezeigt? Obige Liste mit den verschiedenen Punkten findet sich im System 2, im langsamen Denken. Unter Stress, der z. B. bei einem hohen Kundenandrang entsteht – was oft dem normalen Arbeitsalltag entspricht – kann auf diese nicht zugegriffen werden. Da regiert das schnelle Denken. So verrät Stress, was sich in S1 befindet. Wenn dort keine Routinen für Lächeln, Freundlichkeit und Anerkennung angelegt sind, werden sie unter Stress auch nicht gezeigt werden.
Fachwissen, das bereits hunderte Male abgerufen wurde, liegt im S1. Es ist schnell, ohne sonderliche Anstrengung verfügbar (nicht umsonst kann ein Werkstattmitarbeiter, der schon unzählige Male einen Arbeitsgang gemacht hat, wie z. B. das Wechseln eines Luftfilters, diesen Arbeitsgang auch aus tiefem Schlaf heraus sofort fehlerfrei durchführen). Wer also unter Stress gerät, geht ins System 1, präsentiert routiniert sein Fachwissen, das aber für den Kunden keine oder nur eine geringe emotionale Bedeutung hat.

Das Ziel muss folglich darin bestehen, die sozialen und emotionalen Werkzeuge so oft zu gebrauchen, dass diese auch unter Stress verfügbar sind. Es ist lernbar, auch unter Druck freundlich zu sein. In der Umsetzung bedeutet dies, sich viele Male bewusst (S2) für Freundlichkeit und ein Lächeln zu entscheiden, solange bis es im S1 abgespeichert und damit schnell abrufbar ist. Dann wird es auch unter Druck und selbst in einer bislang unbekannten, neuen Situation präsent sein. So banal der Tipp vielleicht erscheinen mag, aber er kann entscheidend dazu beitragen, das zu erreichen: „Lächeln“ auf ein kleines Post-It schreiben und diesen an den Monitor kleben.
Dadurch wird ein neuer, ein positiver Kreislauf gestartet: Mit Freundlichkeit wird eine höhere Kundenzufriedenheit erreicht, was wiederum den Spaß an der Arbeit vergrößert, was es leichter macht freundlich zu sein.

Eine derartige Verhaltensänderung – so viel ist jedem klar, der schon einmal versucht hat, etwas anders als bisher zu machen – funktioniert leider nicht von heute auf morgen. Es ist jedoch sehr ermutigend zu wissen, dass angelegte Routinen geändert werden können. Mühe ist erforderlich, sonst ergeht es einem wie so oft nach einer guten Schulung, einem klasse Seminar, das einen voller Enthusiasmus in die neue Arbeitswoche starten lässt. „Das werde ich ab jetzt anders machen“, lautet der feste Vorsatz. Tage, spätestens Wochen danach ist leider der Rückfall in den sprichwörtlichen alten Trott fest zu stellen. Das liegt schlicht daran, dass die wünschenswerten Routinen (der/die Punkt(e) aus einem Seminar) nicht ins S1 befördert wurden. Es hat nicht oft genug eine bewusste Entscheidung für die Änderung gegeben. Damit bleiben die alten Routinen bestehen, das neue schimmert nur noch schwach durch das alte Muster hindurch. Jeder hat es selbst in der Hand, ab sofort freundlicher zu sein. Nicht so wie von Henry Ford beschrieben nur bei bestimmten Anlässen: Wenn ein Mann einer Frau die Autotür aufhält, ist entweder das Auto neu oder die Frau. Freundlichkeit allen Kunden gegenüber sollte das Ziel sein – ganz besonders aber den „Montagskunden“ gegenüber.

Nicht klagen – persönlich wachsen

Im Rahmen der Seminare zur Serviceorientierung, die während des PiK-Projekts stattfanden, betonten TeilnehmerInnen, dass Kunden schwieriger geworden seien. Das ist schwer zu beurteilen. Allerdings besteht kein Zweifel daran, dass sich vieles verändert hat, was wiederum das Leben von Kunden und MitarbeiterInnen nicht leichter macht. Um ein Beispiel zu nennen: Konnte fast jeder Dritte vor zwanzig Jahren noch den Ölwechsel allein machen und jeder Zweite die Glühlampen selbst wechseln, ist heute für jeden kleinen Handgriff ein „Experte“ nötig. In der Werkstatt heißt es dann erst einmal: „Bevor wir Genaueres sagen können, müssen wir erst einmal den Fehlerspeicher auslesen.“ Darunter kann sich der Durchschnittskunde kaum etwas vorstellen, schon gar nicht, wie aufwändig und zeitintensiv das sein kann. Aus dieser Unsicherheit resultieren Missverständnisse, entstehen Spannungen, weil Kunden das mal eben erledigt haben wollen und keine Ahnung haben, dass es eben nicht so geht, wie sie sich das denken. In den Seminaren weisen die Trainer darauf hin, wie wichtig es ist, nicht mit der Erwartung zu leben, die Kunden müssten sich ändern. Nein, lamentieren nützt nichts. Die Verhaltensänderung muss von einem selbst ausgehen. Diese schwierigen Kunden bieten die Chance zu persönlichem Wachstum. Der tibetische Mönch Sogyal Rinpoche hat diesen Prozess sehr eingängig in seiner Autobiographie in fünf Kapiteln beschrieben:

Ich gehe die Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren.

…Ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder herauszukommen.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich tue so, als sähe ich es nicht. Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es lange, herauszukommen.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich sehe es.
Ich falle immer noch hinein…aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiß, wo ich bin.
Es ist meine eigene Schuld.
Ich komme sofort heraus.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich gehe darum herum.

Ich gehe eine andere Straße.

Im beruflichen Alltag passiert meist das, was Sogyal Rinpoche in den ersten beiden Kapiteln der Autobiographie beschrieben hat. Erst wenn, wie im dritten Kapitel geschildert, Selbsterkenntnis einsetzt („Es ist meine eigene Schuld“), dann eröffnet sich die Möglichkeit, dem elenden Kreislauf der immer gleichen Probleme und Schwierigkeiten zu entkommen und schließlich eine andere Straße zu gehen, anders als bisher mit den „nervigen“ Kunden (oder MitarbeiterInnen) umzugehen. Mit welchen Werkzeugen gearbeitet werden kann, um zwischenmenschliche Beziehungen zu verbessern, darum soll es im Folgenden gehen.

Das traurigste Wort – Vergessen

Folgende Begebenheit hat sich tatsächlich zugetragen. Magnus (Namen wurden geändert) arbeitet in der Kundenannahme eines Mehrmarkenautohauses mit zwölf Arbeitsbühnen. An diesem Dienstag war wirklich viel zu tun. Deshalb vergaß Magnus völlig, dass Frau Hansen (59 Jahre) schon seit zwei Stunden in der vom Empfang aus nicht einsehbaren Kundenecke saß. Sie wartete dort auf ihr Fahrzeug, bei dem die Reifen gewechselt werden sollten. Das Auto war schon seit eineinhalb Stunden fertig, aber irgendwie lief das an Magnus vorbei. Nachdem sich so lange nichts tat, trat Frau Hansen an den Tresen und fragte vorsichtig nach, ob ihr Pkw denn bald fertig sei. In diesem Moment fiel Magnus sein peinliches Versäumnis auf. Geistesgegenwärtig ließ er Frau Hansen wissen, dass das Auto soeben fertig geworden sei. Die Kollegen hätten etwas länger gebraucht, weil so viel zu tun war. Um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, gab Magnus Frau Hansen noch zwei Pflegemittel für ihr Fahrzeug mit („Für die lange Wartezeit.“). Frau Hansen zahlte und bedankte sich.

Wie mag die Geschichte weiter gegangen sein? Vielleicht so: Als sie durch die Glastür ins Freie trat, beschloss Frau Hansen, dass sie zum letzten Mal in dieser Werkstatt war. Warum? Sie spürte, irgendetwas stimmte hier nicht. Sie fühlte sich nicht gut behandelt. Ohne genau zu wissen, was passiert war, nahm sie doch Magnus‘ nonverbale Signale wahr, seine Unsicherheit, als er ihr die Rechnung in Höhe von 49 Euro übergab und ihr die beiden Pflegemittel schenkte (Wert 9 Euro). Frau Hansen kam beim Verlassen des Autohauses zu der Überzeugung: „Der hat mich einfach vergessen!“
Damit lag sie völlig richtig. Magnus war sich immerhin einer Schuld bewusst. Sein in S1 gespeichertes Reaktionsmuster bestand in materieller Wiedergutmachung. Darüber musste er nicht nachdenken, handelte es sich bei Frau Hansen schließlich nicht um die erste Kundin/den ersten Kunden, die/den Magnus im Stress vergessen hatte. „Wie dumm auch die Kundenecke so zu platzieren, dass sie vom Empfang aus nicht eingesehen werden kann! Dadurch passiert so etwas immer wieder“, war Magnus‘ abschließender Kommentar in dieser Sache.

Wiedergutmachung durch kleine Geschenke ist zweifellos eine nett gemeinte Geste. Allerdings gibt es in solch einer Situation viel Wichtigeres und Besseres zu tun. Bevor darauf eingegangen werden wird, noch einmal schnell zurück zu Magnus. Das einzige Reaktionsmuster, das bei ihm schnell verfügbar war, war die Kompensation mittels eines Pflegemittels. Nun kommt ein Faktor ins Spiel, der erwarten lässt, dass Magnus auch in Zukunft in solchen Situationen ähnlich handeln wird. Für ihn war nämlich hinterher alles in Ordnung, nach dem Motto „Fehler wieder gut gemacht – nächster Kunde“. Was müsste also getan werden, damit diese „Straße“ (um im Bild des tibetischen Mönchs Sogyal Rinpoche zu bleiben) verlassen wird? Er benötigt jemanden, der ihn auf ein alternatives, ein besseres Verhalten aufmerksam macht. Das kann eine Führungskraft sein oder ein externer Coach. In einem Gespräch muss Magnus darauf hingewiesen werden, wie teuer sein Verhalten den Betrieb zu stehen kommt; die Pflegemittel sind ja das kleinere Übel, viel schwerer wiegt der Verlust einer langjährigen Kundin. Es muss ihm gezeigt werden, was im speziellen Fall Frau Hansen hätte hören wollen, was jeder Kunde, der falsch behandelt worden ist, hören möchte: eine ernst gemeinte Entschuldigung. Was niemand erleben möchte, ist das Abschieben von Verantwortung auf Kolleginnen oder Kollegen, jedweden Versuch der Vertuschung des Fehlers, das Abgespeist-Werden mit irgendeinem „Gimmick“ und natürlich das Schlimmste von allem: belogen zu werden.
Das muss Magnus deutlich gemacht werden. Damit wird ihm die Gelegenheit gegeben, sein langsames Denken S2 zu aktivieren. Wenn er die Notwendigkeit zur Änderung seines Verhaltens durchdacht hat, dann ist der erste Schritt dahin getan. Weiter muss dann eine konsequente Schulung mit beständigem Feedback erfolgen, durch die das neue Verhaltensmuster nach und nach Teil des S1 wird. Was den Trainern des PiK-Projekts, die obiges Beispiel beobachteten, noch auffiel, ist die starke Prozessorientierung des Personals. Magnus wusste nicht, wo ihm der Kopf stand, und für die Kundenecke, in der Frau Hansen verzweifelt wartete, hatte er keinen Gedanken übrig. Der Kundenbereich liegt aber auch nicht in einem anderen Gebäude, sondern ist Teil des Ausstellungsraums. In den beiden Stunden gingen regelmäßig Verkäufer des Hauses an den Wartenden vorüber. Niemand richtete ein Wort an die dort Sitzenden, niemand fragte, ob er etwas tun könne, niemand machte den Service darauf aufmerksam, dass da eine Dame schon extrem lange nicht beachtet wurde. Hier muss ebenfalls die Führungsebene ran und deutlich machen, dass sich generell alle Mitarbeiter für die Kunden verantwortlich fühlen müssen.
Zwei Grundregeln der Kundenorientierung lassen sich nach Analyse des obigen Beispiels festlegen:

  • Jede(r) MitarbeiterIn hat vor dem Kunden die Verantwortung
    für den Betrieb zu übernehmen.

Niemals wird diese Verantwortung auf andere abgewälzt, indem KollegInnen die Schuld für einen Fehler in die Schuhe geschoben wird. Das gilt auch dann, wenn die/der betreffende MitarbeiterIn das Problem nicht verursacht hat, denn Kunden interessiert es nicht, wer die Verantwortung für einen Fehler trägt.

  • Jede Entschuldigung wird in der Ich-Form formuliert,
    z. B. „Ich habe Sie vergessen. Bitte entschuldigen Sie, es tut
    mir wirklich leid.“

Durch die Hirnforschung wie auch durch die praktischen Erfahrungen von Mediatoren (Vermittlern in Konflikten) ist bewiesen, dass bei gemachten Fehlern eine ernst gemeinte Entschuldigung der goldene Weg ist. Nur etwa 3 % der Konflikte lassen sich nicht so lösen. Das bedeutet: Kein Geschenk, kein Nachlass oder ein anderes Entgegenkommen hat denselben hohen emotionalen Effekt, wie eine ernstgemeinte Entschuldigung. Die meisten aufgebrachten Kunden beruhigen sich bereits nach der ersten Entschuldigung. Einige benötigen vielleicht eine Wiederholung der Entschuldigung. Ein Geschenk jedenfalls ist dann nicht nötig, um den emotionalen Zustand der Kundin/des Kunden zu verbessern. Die Erfahrungen der MitarbeiterInnen in den schleswig-holsteinischen Betrieben mit Kunden, die verärgert waren, weil etwas schief gelaufen war, aber denen gegenüber eine deutliche Entschuldigung geäußert wurde, zeigen klar: In fast allen Fällen kamen Kundinnen/Kunden wieder, blieben also ihrer Werkstatt trotz eines Fehlers treu.

Noch ein Tipp aus der Praxis. Es ist gut, sich den Vorfall in der Kundenakte zu vermerken. Wenn die/der Kundin/Kunde das nächste Mal wieder ins Haus kommt, dann ist eine kleine Aufmerksamkeit ein Zeichen, dass der Fehler nicht vergessen wurde und dass das Bemühen da ist, es diesmal besser zu machen. Aber klar ist: Viel erfolgreicher ist es, bei Problemen zu emotionalen und sozialen „Geschenken“ zu greifen, um dem Kunden Offenheit und Wertschätzung zu zeigen.
Das ist also der erste wichtige Schlüssel zu mehr Kundenorientierung: die ernsthafte Entschuldigung. Wer das nicht kann, der sollte es schnell lernen. Dafür ist Übung notwendig. Durch bewusstes Entscheiden für diesen Weg und häufiges Wiederholen gelangt er vom langsamen ins schnelle Denken, von S2 in S1. Dadurch wird eine Entschuldigung selbst in Stresssituationen nicht vergessen.

Ein ökonomischer Aspekt kommt hier noch ins Spiel. Kunden, die Grund zu einer Reklamation hatten, und nach den obigen Regeln behandelt wurden, kauften hinterher in der Regel mehr Zusatzprodukte. Warum ist das so? Ihr Vertrauen in die Firma, in der sie professionell behandelt wurden, stieg. Vertrauen basiert auf gemachten Erfahrungen. Wer bei seinem Geschäftspartner eine grundsätzliche Ehrlichkeit erfährt, die auch das Zugeben von Fehlern einschließt, wird z. B. Produktempfehlungen ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit zubilligen. Kundenorientierung bildet Vertrauen, und das ist ohne Zweifel ein wichtiges Ziel für jedes seriöse Unternehmen.
Der Vertrauensaufbau erfolgt deutlich stärker durch Menschen als durch eine Marke oder ein Produkt. Dazu ein weiteres Beispiel, das im Rahmen des PiK-Projekts von den Trainern beobachtet wurde. Hilde, so soll die ältere Dame genannt werden, die seit 12 Jahren Kundin eines Autohauses ist. Das Fabrikat, das sie fährt, ist ihr ziemlich egal. Sie als Fan der vom Autohaus vertretenen Marke zu bezeichnen, wäre absolut übertrieben. Es ist die Freundlichkeit des Personals, die für Hildes Treue verantwortlich ist. Sie fühlt sich bei den MitarbeiterInnen gut aufgehoben und behandelt. An besagtem Tag, an dem die folgende Geschichte spielte, saß Hilde in der Kundenecke und wartete, bis ihr Fahrzeug die 60.000-er-Inspektion durchlaufen hatte. Allerdings kam nach einiger Zeit Unruhe in ihr auf, da für sie an jenem Tag noch ein wichtiger Arzttermin anstand. Immer wieder stand sie auf und schaute in Richtung Annahmemeister. In diesem Moment ging die Leiterin des Unternehmens zufällig an der Kundenecke vorbei. Sie bemerkte Hildes Unruhe. In ihrem Büro angekommen, rief die Chefin den Annahmemeister kurz an und schilderte ihm ihre Beobachtung. Sofort verließ der Meister seinen Platz, ging zur Kundenecke, entschuldigte sich für die längere Wartezeit und erklärte Hilde freundlich, dass ihr Fahrzeug in dreißig Minuten fertig sein werde. Weiter fügte er hinzu, dass diese Inspektion sehr viel arbeitsintensiver sei als die letzte. Dieses Mal würden nämlich auch die Luftfilter getauscht werden, damit die Luft im Innenraum angenehm sauber sei. Das dauere leider seine Zeit. Sichtlich beruhigt wandte sich Hilde wieder den ausliegenden Publikumszeitschriften zu, diesmal ohne auch nur ein einziges Mal unruhig in Richtung Empfang zu schauen.

Die MitarbeiterInnen traf in obigem Fall keinerlei Schuld. Die In-spektion brauchte einfach mehr Zeit. Vom Standpunkt des Personals gab es also genau genommen keinerlei Veranlassung, sich bei der Kundin für die Warterei zu entschuldigen. Genau das aber tat der Serviceleiter. Von der psychologischen Seite her war es besonders sinnvoll, der Kundin kurz einen Zwischenstand zu geben. Es ist anzunehmen, dass sie ohne diese Informationen noch ungeduldiger geworden wäre und nach der Übergabe des Fahrzeugs das Autohaus mit einem eher negativen Gefühl verlassen hätte. Und die Geschichte ließe sich noch weiter spinnen. Am selben Nachmittag traf sie sich mit ihrer Freundin zum Kaffeetrinken, und diese erzählte von ihrem Mann, der auf Vierhundert-Euro-Basis bei einem anderen Händler am Ort den Zulassungsservice macht. Hilde wäre ins Grübeln gekommen und hätte den Entschluss gefasst, es mal mit dem anderen Autohaus zu versuchen, da die dort verkaufte Marke ihr eh viel mehr zusagt. All das hätte passieren können, ohne dass die Mitarbeiter nur einen einzigen Fehler gemacht haben. Zu diesem Szenario ist es zum Glück nicht gekommen, weil die Geschäftsleitung und die MitarbeiterInnen mit „offenen Augen“ durchs Unternehmen liefen, die Bedürfnisse der Kundin wahrnahmen und entsprechend reagierten. Der kleine Zwischenbericht vom Meister hat die ganze Situation gerettet. Eine Minute Kundenorientierung hatte einen unbezahlbaren Effekt.

Kundenorientierung bedeutet auch, nicht einfach davon auszugehen, dass die Kundin/der Kunde schon Bescheid wisse oder sich eine Sache denken könne. Stattdessen ist eine offene Kommunikation erforderlich, zu der es eben auch gehört, Dinge zu erklären, die dem Fachpersonal vollkommen klar sind. Das mag, wie in obigem Fall, bedeuten, einen Zwischenbericht zu geben. Offene Kommunikation schließt manchmal auch eine Entschuldigung für Dinge ein, für die der Betreffende nicht direkt verantwortlich ist. Hier gilt: besser gleich (während der Wartezeit) als später (während des Bezahlens), denn da befindet sich die Kundin/der Kunde bereits wieder in einer Prozessorientierung. Sie/Er muss eine Rechnung lesen, das Geld abzählen oder nachdenken, ob sie/er die richtige PIN für die EC-Karte im Kopf hat. An diesem Punkt ist es ungleich schwerer, beim Kunden erfolgreich positive Emotionen zu wecken.

Der Weg der Kundenorientierung ist ein absolutes Muss für Erfolg. Autohaustermine sind für die überwiegende Mehrheit der Menschen ein notwendiges Übel, ein Ballast, auf den sie/er gerne verzichten würde. Warum? Weil es dabei nur um die Sache Auto geht und nicht um die Person Kunde. Deshalb ist jede Verabredung zum Kaffeetrinken wichtiger. Wenn dann etwas schief zu laufen scheint oder tatsächlich schief läuft, wenn es länger dauert als erwartet, fallen die Reaktionen entsprechend negativ aus. Weil dem so ist, unternehmen bereits viele Autohäuser eine Menge, um dem Kunden die Wartezeit so angenehm wie möglich zu machen.

Wie das Beispiel der Kundin Hilde zeigte, ist soziale Intelligenz – die Fähigkeit, die Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen und entsprechend zu handeln – die Basis für einen erfolgreichen Umgang mit Kunden. Offene Kommunikation gehört dazu. Dies ist eine Fähigkeit, die erlernt werden kann. Deshalb soll im Folgenden eine Gesprächsstruktur vorgestellt werden, die einem hilft den Überblick zu behalten und kundenorientiert zu kommunizieren, egal wie stark der Stress ist. Diese Gesprächsstruktur besteht aus fünf Schritten, die in jeweils einem Kapitel vorgestellt werden:

Die Begrüßung (Der Weg zum Herzen des Kunden)

Die Bedarfsanalyse (Die Wunschliste)

Kundennutzen (Das Malbuch der Sinne)

Die Unterstützungstechnik (Für jeden Topf ein Deckel)

Der Abschluss (Nur kurz Dünsten)

Kapitel 11 weiterlesen