Das Abc der Mitarbeiterbindung

Alle wichtigen Fakten kurz gefasst

Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das Herz jedes Unternehmens. Mangelt es auf dem Arbeitsmarkt an entsprechenden Fachkräften, sind sie oft schwer zu ersetzen. Sie dauerhaft zu binden, ist deshalb eine der Aufgaben von Human Resource Management. Aus der Management-Perspektive bezeichnet der Begriff „Mitarbeiterbindung“ die Fähigkeit einer Organisation, ihre Mitarbeitenden zu halten; im Englischen spricht man in diesem Fall von „employee retention“. In der psychologischen Forschung hingegen versteht man unter „Mitarbeiterbindung“ die innere Verbundenheit eines Menschen mit seinem Arbeitgeber, englisch: „organizational commitment“. Der vorliegende Beitrag folgt der psychologischen Sichtweise und verwendet den Begriff „Commitment“ gleichbedeutend mit Mitarbeiterbindung.
Zu den deutschen Experten auf dem Gebiet der Mitarbeiterbindung zählen die Wirtschaftspsychologen Jörg Felfe, Professor an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, und Uwe Peter Kanning, Professor an der Hochschule Osnabrück. Für beide beruht die Mitarbeiterbindung unter anderem auf der Arbeitszufriedenheit, also der Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, sowie der Identifikation mit dem Beruf, Team, Unternehmen und seinen Produkten oder Dienstleistungen.
MitarbeiterInnen entwickeln demnach eine umso stärkere Bindung, je mehr der Arbeitgeber ihre Bedürfnisse erfüllt und ihre Werte mit den seinen übereinstimmen. Das Gehalt befriedigt in der Regel existenzielle Notwendigkeiten, zum Beispiel sich mit Lebensmitteln und einem Dach über dem Kopf zu versorgen. Ein Job erfüllt aber auch weitere Bedürfnisse, etwa nach Kontakt, Anerkennung, Autonomie und Sinn. Die Gemeinschaft mit Kollegen kann beispielsweise ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln, und mit ihrer Tätigkeit können Menschen etwas bewirken und sich als kompetent und selbstständig erfahren. Das steigert das Selbstwertgefühl und die Identifikation mit dem Team und dem Unternehmen.
Wer seine Tätigkeit noch dazu als sinnvoll empfindet oder den Beruf sogar als „Berufung“, erreicht die höchste Stufe der Bedürfnispyramide: Selbstverwirklichung. Das Gefühl, der eigenen Berufung nachzugehen, stärkt das Commitment ganz besonders. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept, um Selbstwert, Identifikation, Selbstverwirklichung und somit die Bindung zu fördern. Eine anonyme Befragung kann jedoch einen ersten Eindruck vermitteln, wie es darum bestellt ist. Was ist den Mitarbeitenden im Berufsleben wichtig, und wie zufrieden sind sie damit an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz? Daraus kann der Arbeitgeber erste Maßnahmen ableiten und deren Wirksamkeit wiederum in einer weiteren Befragung prüfen.
2017 berichtete das Meinungsforschungsinstitut Gallup nach einer repräsentativen Befragung deutscher Arbeitnehmer: Am weitesten auseinander liegen Wunsch und Wirklichkeit bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, bei der Führungsqualität und beim Gehalt. Eine Längsschnittstudie in unterschiedlichen Berufszweigen und Unternehmen bestätigte die Bedeutung der Führung: Wer sich unterstützt und gerecht behandelt fühlt, bleibt seinem Unternehmen stärker verbunden. Und eine Vielzahl von Studien zeigte außerdem: Eigene Entscheidungsspielräume sowie Weiterbildungs- und Aufstiegschancen stärken die emotionale Bindung an den Arbeitgeber besonders. Umgekehrt leidet das Commitment am meisten unter Zeitdruck und Konflikten.
Eine anonyme Mitarbeiterbefragung ist der erste Schritt, reicht aber oft nicht aus. Für die Mehrheit mag beispielsweise eine unternehmenseigene Kita nicht von Belang sein, für ein Team mit vielen jungen Eltern womöglich schon. Gute Arbeitsbedingungen können je nach Lebensphase unterschiedlich aussehen. Umso wichtiger, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden regelmäßig zu einem persönlichen Gespräch einladen und individuelle Bedürfnisse und Wünsche erfragen. So können die Unternehmen dazu beitragen, dass ihre Angestellten gerne und weiterhin bei ihnen arbeiten wollen.

A – Arbeitszufriedenheit

„Arbeitszufriedenheit“ liegt vor, wenn jemand mit seiner Arbeitssituation zufrieden ist, das heißt wenn die Arbeitsbedingungen seine Bedürfnisse und Erwartungen erfüllen. Die Arbeitszufriedenheit stärkt die Bindung zum Unternehmen: Je höher die Arbeitszufriedenheit, desto höher das Commitment. Bevorstehende Kündigungen lassen sich anhand der Mitarbeiterbindung besser vorhersagen als anhand der Arbeitszufriedenheit. Wer sich sorgt, dass seine Angestellten kündigen könnten, bekommt also aussagekräftigere Ergebnisse, wenn er in einer Mitarbeiterbefragung nach dem Commitment fragt. Ob jemand produktiv ist und seine Arbeit gut macht, hängt hingegen stärker mit seiner Arbeitszufriedenheit zusammen als mit seiner Bindung an das Unternehmen. Wer nach Gründen für schlechte Leistungen sucht, sollte demnach die Arbeitszufriedenheit erfragen. Die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen kann außerdem Hinweise darauf geben, warum das Commitment mehr oder weniger stark ausgeprägt ist.
Um in Mitarbeiterbefragungen möglichst viele relevante Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen, orientieren sich Psychologen an so genannten Bedürfnis- oder Motivtheorien. Am bekanntesten ist die Bedürfnispyramide des US-Psychologen Abraham Maslow (1908-1970). Die unteren Ebenen umfassen Grundbedürfnisse etwa nach Nahrung…

B – Bindungsstil

Die erste Bindung eines Menschen ist in der Regel die als Kind an die Eltern oder andere frühe Bezugspersonen. Verschiedene Arten von Bindung fassen Psychologen unter dem Begriff Bindungsstil zusammen: Menschen mit sicherem Bindungsstil beispielsweise haben ihre Bezugspersonen als verlässlich und wohlwollend erlebt und begegnen ihnen entsprechend mit Zuversicht und Vertrauen. Der Bindungsstil wirkt sich in vielen Lebensbereichen aus, unter anderem auf das Risiko einer psychischen Erkrankung, auf Liebesbeziehungen im Erwachsenenleben – und auf die Bindung an den Arbeitgeber. Letzteres haben Psychologen aus Frankreich und Italien in einer 2015 veröffentlichten Studie bei 80 Angestellten festgestellt, die im Schnitt seit zwölf Jahren für dasselbe Unternehmen oder den öffentlichen Dienst tätig waren. Menschen mit sicherem Bindungsstil fühlen sich demnach emotional stärker an ihren Arbeitgeber gebunden als jene mit einem unsicheren Bindungsstil, die aufgrund ihrer Erfahrungen mit Ablehnung und Zurückweisung rechnen oder unsicher sind, was sie erwartet. Eine Studie an rund 160 italienischen Pflegekräften bestätigte das. Ein sicherer Bindungsstil minderte bei ihnen neben Abwanderungsgedanken außerdem das Burnout-Risiko. Weitere Studien fanden…

C – Commitment

Eine der ältesten Definitionen stammt aus den 70er Jahren und definiert „organizational commitment“ als „Bindung an die Organisation“. Hohes Commitment bedeutete hier: sich mit Werten und Zielen der Organisation zu identifizieren, dort bleiben zu wollen und bereit zu sein, sich für sie anzustrengen. Eine andere Definition sprach von einem „psychologischen Band, inbegriffen Involviertheit, Loyalität und der Glaube an die Werte der Organisation“.
Das vorherrschende Verständnis von Commitment prägten John Meyer und Natalie Allen: Ihrem Modell zufolge handelt es sich um eine Einstellung mit verschiedenen Komponenten. In den 80er Jahren unterschieden sie zunächst eine affektive und eine rationale Komponente. Das „affektive Commitment“ beschreibt, wie stark jemand emotional mit der Organisation involviert ist und sich mit ihr identifiziert – wie sehr er also mit dem Herzen dabei ist. Das „rationale Commitment“ ist das Ergebnis einer Abwägung von Kosten und Nutzen, Chancen und Risiken: Lohnt es sich eher, die Organisation zu verlassen oder dort zu bleiben? Als dritte Komponente ergänzten Allen und Meyer später das „normative Commitment“: das Gefühl, zum Bleiben moralisch verpflichtet zu sein. Beispielsweise könnte das Unternehmen die Ausbildung bezahlt haben, oder man möchte das Team in schweren Zeiten nicht im Stich lassen.
Diese drei Komponenten bilden gemeinsam mit ihren Bedingungen und Folgen ein Modell, das derzeit die Commitment-Forschung dominiert. Zu den Folgen zählen…

D – Demografischer Wandel

In Deutschland sinkt die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter. „Dieser Prozess scheint auch auf längere Sicht nicht mehr umkehrbar zu sein“, schreibt 2017 das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Verantwortlich sind vor allem die niedrige Geburtenrate und die zunehmende Zahl von Menschen im Rentenalter.
Zugleich steigt die Nachfrage nach Arbeitskräften in Deutschland stetig. Im Oktober 2017 waren 780.000 Arbeitsstellen bei der Bundesagentur gemeldet, 88.000 mehr als vor einem Jahr. Die Daten der Bundesagentur bilden den Markt noch nicht einmal vollständig ab. Das IAB befragt deshalb regelmäßig repräsentative Arbeitgeber nach offenen Stellen. Demnach waren im zweiten Quartal 2017 mehr als eine Million Stellen unbesetzt.
Die Zahl der Arbeitslosen lag zeitgleich bei 2,4 Millionen. Das IAB addiert dazu eine so genannte Stille Reserve von rund einer Million Menschen, darunter Teilnehmer in Weiterbildung und jene, die sich nicht als arbeitssuchend gemeldet haben.
So kommen unterm Strich zwar weit mehr als zwei Arbeitslose auf eine offene Stelle, Arbeitgeber signalisierten jedoch, dass die „Besetzung offener Stellen…

E – Engagement

Hierunter versteht man freiwilliges Engagement und Eigeninitiative im Sinne des Unternehmens: ein spontanes Verhalten, das über die üblichen Aufgaben von Angestellten hinausgeht, aber nicht etwa durch Boni oder andere Anreize belohnt wird. Dazu zählen Loyalität, Sorgfalt…

F – Führung

Für eine schwache Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind vor allem Führungskräfte verantwortlich. So lautet ein Fazit des Meinungsforschungsinstituts Gallup 2017 nach Befragung deutscher Arbeitnehmer. Gerade in Sachen Führung klafften die Wünsche der Angestellten und die Wirklichkeit weit auseinander. Fast jeder Fünfte habe im zurückliegenden Jahr wegen seines direkten Vorgesetzten einmal daran gedacht zu kündigen, berichtet Gallup. Doch die Chefs selbst seien sich dessen nicht bewusst – 97 Prozent hielten sich für eine gute Führungskraft.
Fast jeder zweite Mitarbeitende gibt laut Gallup außerdem an, im vergangenen Jahr mit seinem Vorgesetzten kein einziges Mal über seine Leistungen gesprochen zu haben, und nur rund jeder siebte erlebt einen kontinuierlichen Austausch. Regelmäßiges Feedback zählt laut Gallup aber zu den wichtigsten Maßnahmen, um…

G – Gesundheit

Eine starke Bindung an das Unternehmen ist nicht zwangsläufig gut für die Gesundheit. Es komme vielmehr auf die Art der Bindung an, sagen Psychologen. Ein starkes rationales Commitment kann Körper und Psyche belasten, denn wenn Angestellte keine andere Option für sich sehen, als im Unternehmen zu bleiben, stehen sie unter einem starken Druck.
Ein „zu“ hohes affektives Commitment hingegen gibt es nicht, glauben manche Forscher. Für andere ist auch das denkbar. Ein solches „Overcommitment“ liege dann vor, wenn jemand seine Arbeit mit nach Hause nimmt…

H – Human Resource Management

Als Human Resource Management bezeichnet man das Personalmanagement innerhalb einer Organisation. Beide Begriffe können sowohl für die Tätigkeit selbst als auch für die damit betrauten Abteilungen stehen.
Ein Teilbereich ist das Personalmarketing: Es dient laut dem Wirtschaftspsychologen Uwe Peter Kanning „der Anwerbung von geeigneten und Abschreckung von ungeeigneten Kandidaten für die Bewerberauswahl“. Gutes Personalmarketing vermittle deshalb nicht nur ein attraktives Bild des Arbeitgebers, sondern halte auch unqualifizierte Personen von einer Bewerbung ab.
Zu den Maßnahmen des Personalmarketings zählt wiederum das Employer Branding: Es zielt darauf ab…

I – Index

Der bekannteste Kennwert für die Mitarbeiterbindung ist der „Gallup Engagement Index“. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup untersucht seit 2001 jedes Jahr, wie stark sich deutsche Arbeitnehmer emotional an ihren Arbeitgeber gebunden fühlen und inwieweit der Arbeitsplatz die wichtigsten beruflichen Bedürfnisse der Beschäftigten erfüllt. Dazu fragt das Institut nach der Zustimmung unter anderem zu Aussagen wie „Ich habe einen sehr guten Freund/eine sehr gute Freundin innerhalb der Firma“.
Demzufolge haben seit vielen Jahren rund 15 Prozent der Arbeitnehmer eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber. Ebenso viele haben laut eigenen Angaben innerlich bereits gekündigt. Die Mehrzahl jedoch, 70 Prozent der Beschäftigten, ist Gallup zufolge emotional eher gering oder mäßig gebunden und leistet überwiegend „Dienst nach Vorschrift“. Daraus lässt sich auch auf die Wechselabsichten schließen: 84 Prozent der stark gebunden, aber nur 31 Prozent der nicht gebundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollten in drei Jahren noch bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber sein. Gallup hat den Index zwischen 2014 und 2016 in 155 Ländern erhoben. Die Werte in der Schweiz und Österreich wichen nur geringfügig von denen in Deutschland ab. In den USA fühlten sich jedoch mehr als doppelt so viele Angestellte stark…

J – Job embeddedness und Job Involvement

Das Konzept der Job Embeddedness (Deutsch: Eingebundenheit) ist vergleichsweise jung. Es soll Kündigungen besser vorhersagen als Commitment, indem es auch Faktoren berücksichtigt, die nichts mit der Arbeit direkt zu tun haben, aber die Wahrscheinlichkeit für einen Stellenwechsel beeinflussen. Das können familiäre Bindungen andernorts oder der Besitz einer Immobilie am Standort des Arbeitgebers sein. Die Grundidee: Nicht jeder, der kündigt, ist mit seiner Arbeit oder dem Arbeitgeber unzufrieden – und nicht jeder, der bleibt, ist zufrieden.
Eine Analyse von 65 Stichproben mit mehr als 40 000 Probanden zeigte, dass die Eingebundenheit in und außerhalb der Organisation unabhängig von Arbeitszufriedenheit…

K – Kundenbindung und Konflikte

Treue Angestellte, treue Kunden? So ist es: Gäste von Hotels und Restaurants sind mit dem Service zufriedener, wenn die MitarbeiterInnen eine starke emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber haben. Das ergab eine Untersuchung mit rund 250 Angestellten und knapp 1500 Kunden unter anderem in Gastronomie, Handel und Hotelgewerbe.
Treue Kunden verraten aber noch auf anderem Weg etwas über die Angestellten: Aus der Forschung zur Kundenbindung lässt sich einiges auf Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung übertragen. Stammkunden etwa geht es bei defekten Waren nicht allein um den materiellen Schaden, sondern um ihr Gerechtigkeitsempfinden. Ebenso geht es unzufriedenen Angestellten selten nur um materielle Werte. Vielmehr fühlen sie sich bei Konflikten…

L – Leistung

Bringen Angestellte mit schwacher emotionaler Bindung an ihren Arbeitgeber schlechtere Leistungen als stark gebundene? Das Meinungsforschungsinstitut Gallup untersucht diese Frage regelmäßig, indem es Bindung und Unternehmenskennzahlen in Zusammenhang bringt. Zuletzt sammelte es Daten von 1,9 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 230 Unternehmen in 73 Ländern. Demnach kommt es in Unternehmen mit schwach gebundenen Angestellten zu rund 40 Prozent mehr Qualitätsmängeln. Teams mit stark gebundenen Angestellten seien außerdem rund ein Fünftel produktiver und rentabler als Teams mit geringer emotionaler Bindung. Auf Ursache und Wirkung lässt sich mit solchen Zusammenhängen allerdings nichts aussagen.
Commitment und Leistung hängen offenbar nicht so stark zusammen wie Commitment und Kündigungen. Ältere Studien fanden ohnehin nur schwache Zusammenhänge zwischen Commitment und Leistung. Neueren Befunden zufolge wirkt sich affektives Commitment moderat auf die…

M – Mitarbeiterbefragung, Messinstrumente

Wer die Bindung seiner Angestellten fördern möchte, sollte zunächst einmal den Status Quo der Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen erfassen: Was wünschen und was erwarten sie sich von ihrem Arbeitgeber, und inwieweit wird das in ihren Augen erfüllt? Der Soll-Ist-Vergleich liefert dann Anregungen, in welchen Bereichen es Verbesserungspotenzial gibt.
Das Commitment selbst erfassen Forscher in der Regel per Fragebogen. Die Befragten geben dabei an, wie sehr sie vorgefertigten Aussagen (Items) zustimmen. Zwei Fragebögen sind besonders verbreitet. Der „Organizational Commitment Questionnaire“ (OCQ) von Lyman Porter stammt aus dem Jahr 1974 und erfasst vor allen die emotionale Komponente. Natalie Allen und John Meyer veröffentlichten 1990 ein Instrument, das affektives, normatives und rationales Commitment auf separaten Skalen erfasst. Sowohl der Fragebogen von Porter als auch die Skalen von Allen und Meyer liegen in deutschen Übersetzungen vor. Deutschsprachig ist auch ein Fragebogen des Wirtschaftspsychologen Jörg Felfe und seiner Kollegen, den das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Er baut auf den Skalen von Allen und Meyer auf und erfasst die drei Formen von Commitment jeweils gegenüber Organisation, Beruf und Beschäftigungsform (Anstellung, Zeitarbeit oder Selbständigkeit) mit rund 40 Items.

Beispiele:
• Ich bin stolz darauf, dieser Organisation anzugehören.
• Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich diese Organisation jetzt verlassen würde. • Ich habe schon zu viel in diesen Beruf investiert, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken.
• Es macht keinen guten Eindruck…

N – Normen

Normen → Organisationskultur

O – Organisationskultur

Eine „Kultur“ umfasst die Normen und Werte, Denk- und Verhaltensschemata einer Gruppe und beeinflusst die Wahrnehmung, das Denken und das Verhalten ihrer Mitglieder. Manche verstehen solche kulturellen Muster auch als „Software“ unseres Geistes. Wie bei inkompatiblen Computerprogrammen können zwischen Menschen Missverständnisse entstehen, wenn sie einander vor dem eigenen kulturellen Hintergrund interpretieren. Auch Organisationen haben eigene Kulturen. Sie können sich unter anderem von Branche zu Branche, von Beruf zu Beruf unterscheiden. Meist dominieren jedoch bestimmte landestypische Wertestrukturen.
Die umfassendste Systematik von Organisationskulturen stammt von dem niederländischen Ingenieur und Sozialpsychologen Geert Hofstede. 1980 untersuchte er die Einstellungen und Werte von 116.000 Führungskräften und anderen Mitarbeitenden innerhalb des IT-Unternehmens IBM in 50 Ländern. Die Unterschiede fasste er zu vier Dimensionen zusammen: den Grad der Gruppenorientierung, des Machtgefälles, der Unsicherheitstoleranz und der Maskulinität (beziehungsweise Femininität). Im Vergleich zu anderen Kulturen kommen deutsche Angestellte beispielsweise schlechter mit Unsicherheit,
also mit unstrukturierten Situationen zurecht. Entsprechend binden sich die Menschen hier zu Lande auch gerne langfristig an einen Arbeitgeber. Wie kulturelle Normen und Werte das Commitment beeinflussen, untersuchten der Wirtschaftspsychologe Jörg Felfe und seine Kollegen unter anderem anhand von Daten aus Deutschland und China. Sie stellten fest: Bei Deutschen war das affektive, bei Chinesen das normative Commitment am stärksten ausgeprägt. Umso kollektivistischer die Kultur eines Landes, desto mehr hing die Mitarbeiterbindung von…

P – Persönlichkeit

Ist Commitment auch eine Frage der Persönlichkeit? Gibt es also Menschen, die sich charakterbedingt stärker oder schwächer an ihren Arbeitgeber binden? Bislang gibt es nur wenig Befunde dieser Art. Mit den klassischen fünf Persönlichkeitsmerkmalen, den „Big Five“, zeigte sich lediglich ein schwacher Zusammenhang: Emotional labile Menschen neigten eher zu einer rationalen Bindung. Ein hohes berufliches Selbstwertgefühl scheint die Bindung an den Arbeitgeber jedoch zu fördern. Der Zusammenhang war bei verschiedenen Stichproben mehr als doppelt so stark wie der mit den genannten fünf Persönlichkeitsmerkmalen. Allerdings handelt es sich dabei auch schon um einen auf das Berufliche eingegrenzten Charakterzug.
Was das Commitment zum Beruf selbst angeht, fanden sich immerhin mehrere schwache Zusammenhänge mit allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen. So entwickeln verträgliche und gewissenhafte Menschen eher eine emotionale Bindung, und extravertierte sowie offene Menschen fühlten sich…

Q – Qualitätskriterien

und Handeln zwei Paar Schuhe sind: Emotional labile Menschen haben zwar häufiger Kündigungsabsichten; unzuverlässige und unverträgliche Menschen wiederum kündigen häufiger tatsächlich – auch ohne es zuvor geplant zu haben.
Q – Qualitätskriterien
Wer die Bindung seiner Angestellten erfassen will, sollte sich vergewissern, dass sein Messinstrument (meist ein Fragebogen) den drei wichtigsten Gütekriterien für psychologische Tests genügt: Objektivität, Reliabilität und Validität. „Objektiv“ ist eine Befragung dann, wenn ihr Ergebnis unabhängig davon ist, von wem sie durchgeführt wird und wer die Antworten auswertet. Als „reliable“ (zuverlässig) gilt ein Fragebogen, wenn er bei zwei Durchgängen weitgehend dasselbe Ergebnis erbringt, unabhängig etwa von der Tagesform der Befragten. Werden Antworten zu einem Kennwert zusammengefasst, müssen die Antworten außerdem…

R – Retention

„Employee retention“ ist wie Commitment ein englischer Begriff für Mitarbeiterbindung, wird in der Regel aber mit einer anderen Bedeutung verwendet: Es geht hier nicht um die persönliche Bindung seitens der Angestellten, sondern die Fähigkeit des Arbeitgebers, sie zu halten. Der Begriff kann außerdem entsprechende Maßnahmen…

S – Sozialisation

Ältere Angestellte sind stärker an ihren Arbeitgeber gebunden als jüngere, und dasselbe gilt für jene mit langer im Vergleich zu kurzer Betriebszugehörigkeit. So lautet das Ergebnis von Studien, die MitarbeiterInnen verschiedenen Alters und Dienstalters zu einem bestimmten Zeitpunkt befragen. Doch das muss nicht bedeuten, dass das Commitment mit zunehmendem Alter und Dienstalter steigt. Es könnte auch sein, dass sich die Generationen voneinander unterscheiden und sich dieser Effekt mit dem des Alters und des Dienstalters vermischt.
Betrachten Forscher deshalb das Commitment im Längsschnitt, also über einen längeren Zeitraum hinweg, so beobachten sie, dass es im ersten Jahr in der Regel zunächst etwas abnimmt. Nach der ersten Phase der Desillusionierung steigt das Commitment aber langfristig wieder: Es formt sich im Lauf der Sozialisation in der Organisation. Wenn alles gut läuft, entwickeln Angestellte ein Gefühl von Zugehörigkeit und Stolz darauf, Teil des Ganzen zu sein, und die Arbeit wird Teil ihrer Identität. Sie verinnerlichen Werte und Normen der Organisation und orientieren sich an ihnen schließlich aus Überzeugung und Leidenschaft.
Der Sozialisationsprozess wird häufig in Phasen unterteilt. Schon in der Bewerbungsphase sollten die Neuzugänge ein realistisches Bild von seiner künftigen Tätigkeit und Rolle vermittelt bekommen, um etwaige falsche Erwartungen schon vorab zu korrigieren. Dann kommt der Einstieg, gekennzeichnet vor allem durch Unsicherheit und die Konfrontation mit der Realität. Das Unternehmen sollte in dieser Phase regelmäßig Feedback dazu einholen, in welchen Bereichen Wunsch und Wirklichkeit auseinanderfallen.
Darauf folgt die eigentliche Sozialisation. Die neuen Kollegen finden sich in ihre berufliche Rolle ein und begreifen, was…

T – Turnover

Turnover ist das Gegenstück zu Retention – der Fähigkeit eines Unternehmens, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten. Im engeren Sinn steht es für die Zahl derer, die ihren Arbeitgeber aus freien Stücken verlassen. Im Schnitt sind das 2,5 von 100 Angestellten pro Jahr, wie aus einer Erhebung des Bundesarbeitsministeriums unter deutschen Unternehmen um die Jahrtausendwende hervorging. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts von 2015 hat sich die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in der vergangenen Dekade nicht wesentlich verändert. 45 Prozent der Arbeitnehmer sind seit mindestens zehn Jahren bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber beschäftigt.
Demgegenüber bezeichnet die Fluktuationsquote den Anteil an Stellen, die insgesamt (pro Jahr) beendet oder neu besetzt werden. In Deutschland trifft das auf fast jede dritte Stelle zu, berichtete das Institut der Deutschen Wirtschaft 2016. Am höchsten lag die Quote demnach in den Großstädten, am niedrigsten im Öffentlichen Dienst – sie schwankt stark nach Region und Branche.
Eine hohe Fluktuation gilt gemeinhin als unerwünscht, weil es kostspielig ist, eingearbeitete Arbeitskräfte zu ersetzen: Erfahrung geht verloren, und in der Bewerbungs- sowie Einarbeitungsphase fallen Zusatzkosten an. Allerdings bekommen jüngere Angestellte oft ein niedrigeres Gehalt als altgediente, sie bringen frischen Wind und neue Ideen. Und nicht zuletzt kann das Abwandern jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die keine gute Leistung bringen, unterm Strich günstiger sein.
Ein klarer, linearer Zusammenhang zwischen Kündigungen und dem Erfolg eines Unternehmens lässt sich entsprechend nicht nachweisen. In einem Bereich jedoch schon: Der Kundenzufriedenheit schadet offenbar schon eine leicht überdurchschnittliche Kündigungsrate.
Dass bei geringem Commitment die Wahrscheinlichkeit freiwilliger Kündigungen ansteigt, gilt schon lange als gesichert. Es kommt aber auf die Art…

U – Unsicherer Arbeitsplatz

Wer seinen Arbeitsplatz nicht für sicher hält, fühlt sich emotional auch weniger an seinen Arbeitgeber gebunden. Das gilt für Festangestellte ebenso wie für Angestellte mit befristeten Verträgen. Doch letztere leiden noch mehr darunter, wenn der Arbeitsplatz unsicher erscheint. Ein Forscherteam aus den USA und Finnland zeigte außerdem: Die befristeten und unbefristeten Angestellten fühlten sich zwar beide ihrem Beruf und ihrer Arbeit verbunden. Aber bei einem befristetem Vertrag war die emotionale Bindung an den Arbeitgeber schwächer.
Wie die befristet Angestellten entwickeln auch Zeitarbeiter…

V – Veränderungsprozesse

Man könnte erwarten, dass Angestellte mit hohem Commitment anstehende Veränderungen grundsätzlich mittragen. So einfach ist es jedoch nicht. „Commitment to change“ ist nicht einfach dadurch gegeben, dass jemand zuvor ein starkes Commitment zum Arbeitgeber zeigte – im Gegenteil können aus Letzterem Probleme erwachsen. Denn eine starke emotionale Bindung erhöht zwar die Bereitschaft zu bleiben, kann es aber auch erschweren, eine neue Organisationskultur zu akzeptieren. Entlassungen im Zuge von Veränderungsprozessen sind besonders kritisch. Wenn ein Teil der Angestellten aus betrieblichen Gründen gehen muss, schwächt dies das Commitment der verbliebenen.
Es gibt verschiedene Modelle dazu, wie sich Commitment gegenüber Veränderungen entwickelt. Das bekannteste Modell umfasst vier Stufen: Leugnen („Das hat nichts mit meiner Arbeit zu tun“), Widerstand („So kann ich nicht arbeiten“), Exploration („Ich probiere mal aus, ob es funktioniert“) und Commitment („So will ich arbeiten“). In der ersten Phase, der Leugnung, verhalten sich die meisten MitarbeiterInnen ruhig, was häufig als Akzeptanz fehlgedeutet wird. Zu diesem Zeitpunkt benötigen sie mehr Informationen, insbesondere…

W – Whistleblower

Als Whistleblower bezeichnet man MitarbeiterInnen, die ein Fehlverhalten ihrer eigenen Organisation an Dritte weitergeben, zum Beispiel über Journalisten öffentlich machen. In der Regel haben Whistleblower danach beim betreffenden Arbeitgeber keine Zukunft mehr; sie stellen also ihre berufliche Existenz aufs Spiel.
Der breiten Öffentlichkeit werden vor allem jene Fälle bekannt, bei denen Whistleblower ein Fehlverhalten prominenter Unternehmen oder Organisationen melden. Der berühmteste Whistleblower der Gegenwart ist der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden. 2013 hatte er Dokumente veröffentlicht, die belegten, dass US- und britische Geheimdienste die Kommunikation im Internet ohne begründeten Verdacht großflächig überwachen und auf Vorrat speichern.
Der Entscheidung für oder gegen Whistleblowing liegt ein Konflikt von widerstreitenden Commitments zugrunde: zum einen gegenüber dem Arbeitgeber, zum anderen gegenüber den eigenen moralischen Prinzipien. Ein Team um den Psychologen Adam Waytz demonstrierte in einer Studienreihe 2013, dass sich anhand dieser beiden Werte vorhersagen lässt, ob jemand ein Fehlverhalten meldet. Jemand wird demnach dann zum Whistleblower, wenn sein Moralempfinden stärker ausgeprägt ist als seine Loyalität. Kurzfristig lassen sich die Prioritäten offenbar manipulieren, indem man…

X Y Z – Generation X, Y, Z

Unter Generationen versteht man Gruppen von Geburtenjahrgängen, fachsprachlich: „Geburtenkohorten“. Die Grundidee: Generationen sind in verschiedenen kulturellen Perioden aufgewachsen. Sie unterscheiden sich beispielsweise dahingehend, wann Internet, Smartphones und soziale Medien in ihr Leben traten. Generation X (zirka 1960 bis 1979) hat die Kindheit noch ohne Internet verbracht, Generation Y (zirka 1980 bis 1994) kam spätestens in der Jugend mit dem Internet in Berührung, und Generation Z (zirka 1995 bis 2010) kennt eine Welt ohne Internet praktisch nicht mehr. Solche und viele andere unterschiedliche Einflüsse können sich auf Vorlieben und Verhalten der Generationen im Beruf auswirken. Einige Unterschiede lassen sich auch empirisch nachweisen. Für die Generation Y zählen Sicherheit und ein angenehmes Arbeitsumfeld („Hygienefaktoren“) mehr als für ihre Vorgänger. Die Generation X orientierte sich stärker an „Wachstumsfaktoren“ wie Erfolgserlebnissen und Anerkennung. Das ergab ein Vergleich von 1390 Collegestudenten und -studentinnen der Generation X von 1990 und der Generation Y von 2006. In den obersten Prioritäten waren sie sich jedoch einig: Bei beiden standen die Tätigkeit und das Gehalt auf Platz eins und zwei der Rangliste.
Allerdings sollten man solche Studien mit Vorsicht interpretieren. Beispielsweise können sich die Bedürfnisse einer Generation von Land zu Land unterscheiden. Der Trend aus den USA bestätigte sich aber auch in anderen Ländern, unter anderem in einer Untersuchung aus Frankreich 2013. Wenn die dortigen Berufseinsteiger der Generation Y die Wahl hatten, wünschten auch sie sich an vorderster Stelle einen unbefristeten Vertrag und eine entspannte Atmosphäre, und daneben eine weitere Annehmlichkeit: eine kurze Wegstrecke zur Arbeit. Auf den letzten Plätzen standen das berufliche Ansehen, der Status und etwaige Boni, die „Wachstumsfaktoren“. Die Forscher konnten jedoch innerhalb der Generation verschiedene Typen ausmachen: Einige legten am meisten Wert auf Sicherheit, andere auf eine…

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Autorin Svenja Schroerschwarz

Svenja Schroerschwarz

Svenja Schroerschwarz ist Diplom Psychologin und Fachpsychologin für Verkehrspsychologie. Seit 2011 arbeitet sie als Bereichsleiterin des MPI der TÜV NORD Mobilität. Sie nimmt in dieser Funktion regelmäßig an internationalen Kongressen und Symposien zur Verkehrspsychologie teil. Hobbies sind Gesang und Garten.