Mitarbeiterbindung

Heckwischer überprüfen – das stand u. a. auf dem Arbeitsauftrag, den die Kfz-Mechatronikerin erhielt. Da die Mitarbeiterin nicht wusste, ob der Heckwischer Geräusche machte, die Wischqualität nicht mehr ausreichend war oder vielleicht sogar der Scheibenwischermotor einen Defekt hatte, suchte sie nach einer Antwort beim Meister. Der wusste auch keine Antwort – die Mechatronikerin begab sich letztlich selbst auf die Suche nach dem eigentlichen Fehler.
Sie kennen dieses Szenario bereits aus dem Kapitel „Terminvereinbarung“.
Zu Recht wurde dort angemerkt, dass die Mechatronikerin frustriert war.
Was trieb diese Mitarbeiterin an, mit viel Eigeninitiative das Problem im Sinne des Kunden zu lösen, anstatt auszustempeln und nach Hause zu gehen oder den Mangel einfach nicht zu beheben? Die Mechatronikerin hatte eine genügend starke Bindung. An wen? Was ist Bindung überhaupt? Wie sorgt Mitarbeiterbindung für Kundenzufriedenheit? Hierzu einige Fakten aus der Wirtschaftspsychologie.
In der jährlichen Gallup-Studie zur Mitarbeiterbindung werden aufschlussreiche Fakten zum Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Führungskräften ausgewertet. Besonders interessant: Nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter (16%) steht wirklich voll und ganz hinter ihrem Arbeitgeber. Die Gruppe, die keinerlei emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen hat ist mit 17% ähnlich hoch.
Zwischen diesen beiden Extremen befindet sich die größte Gruppe: 67% haben eine geringe emotionale Bindung. Sie machen Dienst nach Vorschrift. Sie sind meistens ehrlich, bringen durchschnittliche Fähigkeiten, wollen Teamarbeit, tun aber wenig dafür. Prof. Knoblauch beschreibt sie treffend als „nine to fiver“, denn sie kommen korrekt zum Arbeitsbeginn und gehen ebenso korrekt bei Dienstschluss, ohne Berücksichtigung der aktuellen Bedürfnisse der Kunden. Viele Arbeitgeber sind ganz froh, solche Mitarbeiter zu finden, denn die Mitarbeiter mit keiner emotionalen Bindung an das Unternehmen sind wahrhaft toxische Typen. Sie vergiften die Arbeitsatmosphäre und nehmen damit anderen die Motivation. Ziele werden nur hin und wieder erreicht und im Zweifel biegt sich so ein Mitarbeiter die Realität so hin, wie er sie braucht. Da er die Bedürfnisse und Ansprüche des Kunden oft falsch einschätzt, hat die Führungskraft bereits Hemmungen, diesen Mitarbeiter „auf die Kunden loszulassen“. Daher lässt sich die folgende Reaktionskette ausmachen:
Zufriedene Kunden sind nur dort zu finden, wo Mitarbeiter mit Freude und Engagement für sie Leistung erbringen. Mitarbeiter mit Freude und Engagement benötigen eine Bindung an das Unternehmen und ihre Führungskräfte.
Prof. Jörg Felfe beschreibt in seinem Buch „Mitarbeiterbindung“ die Bedeutung der Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen. Wenn sich die Mitarbeiter mit einem Unternehmen in hohem Maße verbunden fühlen und sich mit dem Betrieb identifizieren, werden sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit stärker für die Interessen und Ziele des Unternehmens engagieren. Sie sind dann eher bereit, Veränderungen und neue Entwicklungen zu akzeptieren und dem Unternehmen auch dann treu zu bleiben, wenn sich attraktive Beschäftigungsalternativen bieten. Mitarbeiterbindung ist nach Prof. Felfe also ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Was hat der Mitarbeiter von einer hohen Bindung? Er fühlt sich durch die Zugehörigkeit zum Unternehmen aufgewertet. Seine sozialen Bedürfnisse werden durch die Zugehörigkeit zufrieden gestellt. Bindung hilft ihm, mit stressgeladenen Situationen besser umzugehen.
Soweit zur Theorie, nun wieder ein Blick in die Praxis. Ein größeres Autohaus mit Händlervertrag und mehreren Standorten wurde in den letzten Jahren einige Male weiterverkauft. Da viele Führungskräfte der obersten Hierarchiestufe nicht mehr im Unternehmen sind, werden die Mitarbeiter weder an die derzeitigen Besitzer des Unternehmens noch an die oberste Führungsetage eine hohe Bindung haben. Dennoch leisten sie gute Arbeit und engagieren sich gern für die Kunden. Wie kann das sein?
Hier hilft es zu sehen, dass ein Mitarbeiter in verschiedene Richtungen eine Bindung aufbauen kann. Ein Kfz-Mechatroniker beispielsweise mag eine hohe Bindung zu seinem Beruf spüren. Neben seiner Arbeit engagiert er sich deshalb gern im Prüfungsausschuss der Innung und informiert sich regelmäßig über die neuesten Entwicklungen in seinem Beruf. Der jungen Serviceassistentin in der Kundenannahme bedeutet es viel, Teil des Teams zu sein. Trotz der hohen Taktung im Kundenkontakt genießen es die fünf Mitarbeiter in der Annahme, gemeinsam fast jedes Problem zur Zufriedenheit der Kunden lösen zu können. In der Gebrauchtwagenabteilung werden regelmäßig sehr gute Ergebnisse erzielt. Alle sind bei der Sache und freuen sich über die Führungskompetenz ihres Abteilungsleiters. In der Neuwagendisposition ist ein junger Betriebswirt voll bei der Sache und liefert außerordentlich gute Ergebnisse. Er plant, seine Karriere zügig voranzubringen.
Alle hier genannten Mitarbeiter leisten sehr gute Arbeit. Alle Mitarbeiter haben eine hohe Bindung. Allerdings unterscheidet sich deutlich die Richtung, wohin sie gebunden sind. Der eine spürt sie gegenüber seinem Beruf, andere gegenüber ihrem Team, dem Abteilungsleiter oder gegenüber der eigenen Karriere. Warum ist es gut zu wissen, in welche Richtung sich der Mitarbeiter bindet? Hierzu ein weiteres Beispiel: Eine verantwortungsvolle Position im Betrieb soll neu besetzt werden. Zwei Mitarbeiter sind ähnlich gut qualifiziert. Wer ist auf Dauer die bessere Besetzung für diesen Job? Bei der Beurteilung der Bindung wird festgestellt, dass Mitarbeiter A eine starke Bindung an das Autohaus hat: Er liebt die Markenaufladung des Premiumherstellers und hat die Führungskultur des Unternehmens verinnerlicht. Man hört ihn häufig Sätze sagen wie „Ich bin stolz darauf, bei Autohaus XY angestellt zu sein!“. Außerdem ist er bereit, sich über das normal Übliche hinaus zu engagieren. Mitarbeiter B ist ebenso engagiert. Er sagte kürzlich zu einem Kollegen folgenden Satz: „Meine Karriere hat eine große persönliche Bedeutung für mich. Mein berufliches Fortkommen liegt mir sehr am Herzen.“ Wer von den beiden Mitarbeitern A oder B ist die bessere Wahl, wenn die Stelle langfristig besetzt werden soll? Sicherlich werden Sie zustimmen, dass in einem solchen Fall eine Bindung an das Unternehmen von größerer Bedeutung ist als die Bindung an die eigene Karriere. Was würde z. B. passieren, wenn dieser Mitarbeiter in zwei Jahren ein sehr verlockendes Angebot von einem Konkurrenzunternehmen bekommen würde? Mitarbeiter A würde es sichtlich schwerer fallen, das Unternehmen zu verlassen. Daher ist er die bessere Wahl bei der Besetzung dieser Position.
Wieso kann es von Bedeutung sein, die Richtung der Bindung eines Mitarbeiters zu bestimmen? Weil es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, um die Bindung des Mitarbeiters zu erhöhen. Vielfach fällt Vorgesetzten lediglich ein, eine Gehaltserhöhung zu versprechen und später einzuhalten. Dabei gibt es viele weitere Möglichkeiten, um einen Mitarbeiter dauerhaft zu binden. Die Art der Tätigkeit sowie der Anspruch, den diese Aufgabe an den Mitarbeiter stellt, können ein starkes Motiv darstellen. Andere Mitarbeiter sind stärker am Betriebsklima, neuesten technischen Arbeitsmitteln, ansprechenden Räumlichkeiten oder aber auch der Arbeitsplatzsicherheit interessiert. Wie Sie nun erkennen können, hat die Richtung der Mitarbeiterbindung einen starken Einfluss darauf, ob die angebotenen Veränderungen einen nachhaltig positiven Einfluss auf den Mitarbeiter haben werden.
Die Gallup Studie geht davon aus, dass bei den Mitteln zur Mitarbeiterbindung eine gewisse Reihenfolge eingehalten werden sollte. Ein Beispiel: In den Ohren eines Kfz-Mechatronikers muss es wie Hohn und Spott klingen, wenn seine Führungskraft einerseits wiederholt davon spricht, dass das Unternehmen sehr an seiner persönlichen Weiterentwicklung interessiert ist und das Autohaus eine ganz besondere Mission zum Wohle der Kunden verfolgt („Unsere Kunden sollen unsere Fans sein!“). Andererseits hat dieser Mitarbeiter schon wiederholt darauf hingewiesen, dass der Abgastester eine relevante Funktionsstörung hat und damit unbrauchbar ist. Außerdem sind durch den jahrelangen Gebrauch wichtige Werkzeuge so verschlissen, dass die Arbeitsaufträge nur noch mit viel Zeitaufwand und dabei des Öfteren nur mit schlechtem Ergebnis auszuführen sind.

Die Gallup formuliert daher folgende Einteilung zur
Mitarbeiterbindung:

Grundbedürfnisse: Klare Definition der Erwartungen, die man an den Mitarbeiter hat sowie die Ausstattung mit dem notwendigen Arbeitsmaterial.
Unterstützung: Förderung der fachlichen Weiterentwicklung. Wahrnehmung der menschlichen Bedürfnisse nach Anerkennung sowie Förderung seiner Talente.
Teamarbeit: Die Führungskraft sorgt für ein freundschaftliches Umfeld, in dem die Meinung des einzelnen Teammitglieds zählt. Qualität hat eine hohe Bedeutung, die durch Strategien und definierte Ziele ermöglicht wird.
Wachstum: Die Weiterentwicklung der Persönlichkeit und das Erreichen persönlicher Karriereziele werden aktiv durch die Führungskraft gefördert.

Bindung durch die Führungskraft

Schon Dr. Reinhard K. Sprenger wies treffend darauf hin, dass Mitarbeiter zu Unternehmen kommen, aber Führungskräfte verlassen. Bezogen auf das Thema Mitarbeiterbindung kann gesagt werden, dass viele Mitarbeiter zunächst einmal von dem aufgeladenen Image der Marke und des Autohauses oder der Kfz-Werkstatt angezogen werden. Nach der Einarbeitungszeit sind sie jedoch mehr und mehr von dem Führungsverhalten ihres direkten Vorgesetzten enttäuscht. Was ist falsch gelaufen? Wie könnte sich die Führungskraft besser verhalten?
Gerade junge Führungskräfte unterliegen sehr oft der Versuchung, keine klaren Anforderungen an die Mitarbeiter zu stellen. Befragt man sie zu den Gründen ihres Verhaltens hört man häufig: „Ich möchte es besser machen als die alten Haudegen. Statt Diktatur arbeite ich lieber im Team. Ich möchte, dass man freiwillig und gerne für mich arbeitet.“ Diese Ansätze sind wirklich lobenswert und könnten auch zum Ziel führen. Leider vergessen diese Führungskräfte jedoch einen wichtigen Aspekt. Ein Mitarbeiter braucht eine klare Ansage, wohin es geht. Dabei möchte er an dem Verhalten der Führungskraft erkennen, dass sie für sich und die Mitarbeiter ein klar definiertes Ziel hat. Dieses ist daran zu erkennen, dass Ziele nicht leichtfertig aufgegeben werden, nur weil es für eine gewisse Zeit unpopulär ist oder es Rückschläge auf dem Weg dorthin gibt.
Besonders tragisch hierbei ist das Wegducken der Führungskraft vor Mitarbeitern des eigenen Teams. Teilweise verstehen es Mitarbeiter, ihre Anliegen so überzeugend vorzubringen, dass die Führungskraft nur noch nach einer individuellen Lösung für diese Person sucht. Leider werden darüber oft das unternehmerische Ziel, die Bedürfnisse der anderen Mitarbeiter sowie die Bedürfnisse der Führungskraft selbst aus den Augen verloren. Bleibt so ein Verhalten ohne Konsequenzen? Nein, andere Mitarbeiter verlieren durch dieses Verhalten ihren Respekt vor der Führungskraft. Auf Dauer führt diese Führungsschwäche dazu, dass die anderen Mitarbeiter angeleitet werden, ebenso ihre egoistischen Interessen auf ähnliche Weise und damit auf Kosten des Teams und des Unternehmens durchzusetzen.
Je nach Verhaltensprofil haben Führungskräfte ihre ganz eigenen Stärken und Schwächen beim Umgang mit Mitarbeitern. Auch diese können sehr übersichtlich mit dem persolog® Persönlichkeits-Modell dargestellt werden.

Eine gute Führungskraft erkennt das eigene Verhaltensprofil und damit auch seine Stärken und Schwächen. Durch Reflexion ist es möglich, den Stärken ein größeres Gewicht zu verleihen und gezielt an der Kompensation ihrer Schwächen zu arbeiten.

Nur wenn ein Mensch seine Schwächen anerkennt, kann er
die Stärken anderer Menschen in diesem Bereich voll für das Erreichen der Ziele im Team und des Unternehmens nutzen.