Kundenunzufriedenheit

 

Der unzufriedene Kunde

Wie Sie beim Lesen der bisherigen Kapitel festgestellt haben, genügt beim
Service ein kleiner Fehler in den Prozessschritten, um aus einem langjährigen zufriedenen Kunden in einem Moment einen unzufriedenen Kunden zu machen.

Da jeder Kunde für den Kfz-Betrieb von hoher Bedeutung ist, kann man diese Entwicklung nicht als Schicksal hinnehmen. Daher stellt sich die Frage, mit welchen Methoden die Kundenzufriedenheit wieder hergestellt werden kann?

Auch hier gilt es, als erstes den Menschen mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen wahrzunehmen. Ein einfacher Weg dabei ist, sich in die Situation des Kunden zu versetzen. Stellen Sie sich dazu einmal folgende Fragen: Wie geht es Ihnen, wenn Sie eine Ware nicht wie erwartet pünktlich geliefert bekommen? Was empfinden Sie, wenn Ihnen durch die Unachtsamkeit eines Mitarbeiters ein wertvoller Gegenstand beschädigt wird? Wie fühlen Sie sich, wenn sich keiner für Ihre Belange zuständig fühlt? Wie ergeht es Ihnen, wenn Ihnen immer nur erklärt wird, warum die Abläufe im Unternehmen eine kundenfreundliche Behandlung nicht zulassen?

Ohne zu tief in die Psychologie des Menschen einsteigen zu wollen: Ängste haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und in der Folge auf unser Verhalten. Diese Ängste sind es auch, die dem Kunden in seiner Wahrnehmung der Situation einen Streich spielen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich in derselben Situation auch die Mitarbeiter des Kfz-Betriebes nicht frei von Emotionen verhalten. Das persolog® Persönlichkeits-Modell liefert zu den sogenannten Grundängsten ein schlüssiges Erklärungsmuster.

Die Grundangst bei Menschen mit Dominanter Verhaltenstendenz:
bezwungen zu werden.

Die Grundangst bei Menschen mit Initiativer Verhaltenstendenz:
benachteiligt zu werden.

Die Grundangst bei Menschen mit Stetiger Verhaltenstendenz:
allein gelassen zu werden.

Die Grundangst bei Menschen mit Gewissenhafter Verhaltenstendenz:
kritisiert zu werden.

Übertragen wir diese Grundängste jetzt auf die Gedankenwelt verschiedener Verhaltenstypen.

Kunde mit Dominantem Verhaltensprofil: „Das kann ich mir nicht bieten lassen! Wo würde ich denn landen, wenn ich das überall mit mir machen ließe. Ich muss in dieser Auseinandersetzung als Sieger hervorgehen. Ich will hier kein Rumgerede, sondern dass der Fehler zügig behoben wird, ohne dass Nachteile für mich daraus entstehen.“

Kunde mit Initiativem Verhaltensprofil: „Das ist nicht Zufall, dass es mich trifft – bei allen anderen Kunden klappt es doch auch! Es gibt auch noch andere
Betriebe, die mich als Kunden schätzen und mir das auch zeigen. Es geht nicht nur um diese Angelegenheit, sondern die sollen jetzt auch mal zeigen, was ich ihnen als Kunde wert bin. Eine aufrichtige Entschuldigung ist das Mindeste, eine kleine Wiedergutmachung würde mich allerdings freuen.“

Kunde mit Stetigem Verhaltensprofil: „Das ist doch wirklich gemein! Nun habe ich schon die ganze Zeit auf die Rücksicht genommen. Erst habe ich auf den angekündigten Leihwagen verzichtet, weil sie so knapp bestückt waren. Dann habe ich hingenommen, dass ich meinen Wagen später abholen muss und nun haben sie auch noch diese Sache vertrödelt. Und wer darf es wieder ausbaden? Ich! Und keiner kümmert sich darum.“

Kunde mit Gewissenhaftem Verhaltensprofil: „Nichts läuft hier nach Plan! Wollen die jetzt auch noch sagen, ich sei daran schuld? Es gab doch eine klare Anweisung von mir und wir haben vorher alles durchgesprochen, ich hatte für sie eine Liste der zu tätigen Arbeiten vorbereitet und wir haben gemeinsam den Arbeitsauftrag geschrieben. Ich bin nicht schuld! Die sollen mal sehen, wie sie das jetzt wieder gerade biegen. Auf mich können die nicht mehr zählen!“

Typischerweise sind die Mitarbeiter darauf geschult, einen rationalen Ansatz zu verfolgen. Auch wenn sie daran interessiert sind, einen gangbaren Lösungsweg zu finden, übersehen sie dabei die Notwendigkeit, zunächst die Emotionen des Kunden wahrzunehmen und zu spiegeln.

Ein bedeutendes Modell zum Umgang mit unzufriedenen Menschen hat
Marshall B. Rosenberg entwickelt.

Es sieht folgende Schritte vor:

» Beobachten, ohne zu bewerten.

» Mitgefühl für die Situation des Kunden zeigen.

» Worte für die Gefühle des Kunden finden.

» Gemeinsam eine Lösung suchen.

Greifen wir noch einmal die Situation der Kundin auf, die vor der Inspektion selbst die Scheibenwaschflüssigkeit aufgefüllt hat. Sie fragte sich, wie in einen vollen Behälter noch ein weiterer Liter Scheibenklar aufgefüllt werden konnte. Der Servicekraft läge es jetzt nahe, sofort die Lösung für dieses Problem zu benennen: Der Frostschutzgehalt der Scheibenwaschflüssigkeit war nicht ausreichend.

Dieses Vorgehen ist beim Umgang mit der unzufriedenen Kundin jedoch nicht sehr erfolgsversprechend. Warum? Der Rat von Marshall B. Rosenberg ist, beobachten, ohne zu bewerten. Das bedeutet, zunächst einmal die Situation in sich aufzunehmen, ohne zum eigenen Schutz bereits Schuldzuweisungen zu verteilen. In dieser Phase des Gesprächs spielt es keine Rolle, wer Schuld hat, sondern wie sich der Kunde fühlt. Selbst wenn das Anliegen sachlich keine Grundlage zur Beanstandung hätte, befindet sich der Kunde trotzdem in einem emotionalen Ausnahmezustand, weil er vermutet, dass etwas nicht richtig gelaufen ist. Den Kunden hier emotional allein zu lassen, bedeutet, in Kauf zu nehmen, dass der Kunde seine Bindung an das Unternehmen verliert. Nachdem man sich einen Überblick über die emotionale Lage verschafft hat, könnte die Situation durch folgendes weiteres Vorgehen entschärft werden:

Aufgrund des Verhaltensmusters kann man davon ausgehen, dass die Kundin ein gewissenhaft-stetiges Verhaltensprofil hat (Sie überprüfte selber den Stand des Scheibenflüssigkeitsbehälters, nahm sich Zeit, ihren Unmut der Kfz-Werkstatt bekannt zu geben und vereinbarte einen Termin für ein Reklamationsgespräch.). Ihre Grundängste sind daher im Bereich kritisiert und allein gelassen zu werden. Vor diesem Hintergrund wäre es zunächst einmal sinnvoll, die Emotionen von Sophie Sanders wahrzunehmen und mit eigenen Worten wiederzugeben. Dieses ist wichtig, da dadurch sichergestellt wird, dass die Empfindungen und das Anliegen der Kundin richtig verstanden wurden. Eine mögliche Antwort wäre:

„Frau Sanders, ich spüre, dass Sie sich von uns schlecht behandelt fühlen.
Sie haben sich an eine seriöse Kfz-Werkstatt gewandt, um in einem Ernstfall mit einem Problem am Fahrzeug nicht alleine dazustehen. Um es gleich zu sagen, Sie haben sich völlig korrekt verhalten. Darf ich Ihnen an dieser Stelle zum besseren Verständnis den Sachverhalt kurz erklären? Es hat einen Kommunikationsfehler zwischen dem Mechatroniker und dem Meister gegeben…“

Im Weiteren wird nun der notwendige Austausch des reinen Wassers gegen Scheibenklar erläutert und der Nutzen mit folgenden Worten für Frau Sanders dargelegt: „Da der Wintereinbruch kurz vor der Tür steht, ist das Fahrzeug mit diesem Scheibenklar zuverlässig gegen das Einfrieren der Scheibenwaschanlage geschützt. Bitte entschuldigen Sie nochmals, dass wir diesen Umstand nicht schon bei der Fahrzeugrückgabe erklärt haben.“

In dieser Situation besteht die Lösung darin, das Missverständnis aufzuklären.
Darüber hinaus brauchen keine Geschenke verteilt oder ein Arbeitsschritt wiederholt zu werden. Eine ehrliche Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, verbunden mit dem Dank, dass sich die Kundin für das Reklamationsgespräch Zeit genommen hat, könnten einen gelungenen Abschluss darstellen.

Das Empathie-Modell von Rosenberg sieht übrigens nicht vor, dass man ein völlig unangemessenes Verhalten von einem Kunden tolerieren muss. Sollte ein Kunde übergriffig oder grob beleidigend werden, ist es legitim, den Kunden um eine Unterbrechung des Gespräches zu bitten und zu einem späteren Zeitpunkt erneut nach einer Lösung zu suchen. Mitarbeiter können auch einen Vorgesetzten zu dem Gespräch bitten. Der Vorteil: Der Kunde kann erneut seinem Unmut Luft machen. Zudem hat er ja erreicht, dass sich die Geschäftsführung mit seinem Problem beschäftigt. Damit hat er also einen „Teilsieg“ errungen. Selbst wenn die Führungskraft keine neuen Argumente zu dem Thema beiträgt, geht der Kunde in den meisten Fällen durchaus auf seine Vorschläge ein. Wozu kann das dann beim Mitarbeiter führen? Er fühlt sich missverstanden und neigt dazu, sich zu rechtfertigen, er hätte dem Kunden bereits die gleiche Lösung vorgeschlagen. Welcher Ansatz ist in dieser Situation für den Mitarbeiter hilfreich? Entspannt zu reagieren und sich als Teil des Teams zu sehen, das gemeinsam einen unzufriedenen Kunden professionell betreut hat.

Dieses eben beschriebene Szenario ist ein passendes Beispiel dafür, dass auch Mitarbeiter durch Grundängste gesteuert sind und dadurch die reine Faktenlage anders wahrnehmen. Folgende Grundängste können den verschiedenen Verhaltenstypen zugeordnet werden:

Mitarbeiter mit Dominantem Verhaltensprofil: „Auf dieses Rumgerede habe ich jetzt wirklich keine Lust. Ich habe Wichtigeres zu tun. Der Fachmann bin ja wohl ich und sie hat – wie man gerade sieht – keine Ahnung, wovon sie redet!“

Mitarbeiter mit Initiativem Verhaltensprofil: „Wenn sie gleich mal einen Moment Luft holt, erkläre ich ihr, wie die Sache ganz leicht aus der Welt zu schaffen ist. Sie kann doch nicht wirklich denken, ich könne das nicht sofort in Ordnung bringen. Womöglich geht sie sonst noch damit zum Chef und dann habe ich den Nachteil davon.“

Mitarbeiter mit Stetigem Verhaltensprofil: „Oh nein, das tut mir ja total leid, dass es so schief gelaufen ist! Was soll ich tun? Jetzt stehe ich wieder alleine da, weil sich kein anderer dafür zuständig fühlt.“

Mitarbeiter mit Gewissenhaftem Verhaltensprofil: „Typisch! Wofür haben wir eigentlich Checklisten, wenn sich nie einer daran hält. Es ist völlig ungerecht, wenn ich den Kopf dafür hinhalten muss. Künftig werde ich darauf achten, mich noch mehr abzusichern, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Die Reklamation von ihr ist überdies völlig ungerechtfertigt.“

Diese Verhaltenstendenzen bei Mitarbeitern können durch verstärkte Selbstreflektion bewusster gesteuert werden. Auch der Vorgesetzte kann bei der Weiterentwicklung des Mitarbeiters in diesem Bereich zur Seite stehen, indem er ihm positiv bestätigt, dass es für die Grundängste des Mitarbeiters keine objektive Grundlage gibt.

Das Empathie-Modell von Rosenberg zeigt den Mitarbeitern im
Kfz-Betrieb auf, wie sich aus einer negativen stressbeladenen Situation eine neue dauerhafte Kundenbeziehung entwickeln kann.

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